Schattenspäher
Welt zu Staub zu verwandeln.«
»Die Einszorn«, stieß Eisenfuß hervor.
»Sehr richtig«, sagte Lin Vo. »Dieses kleine Ding vermag alles zu ändern, wie Ihr vier wahrscheinlich nur zu gut wisst. Tatsächlich wäre niemand von Euch jetzt hier, gäbe es die Einszorn nicht.«
»Es gibt keine Einszorn«, ließ sich plötzlich Timha vernehmen.
»Was?« Silberdun sah ihn verständnislos an.
»Wir haben nie rausgefunden, wie man sie baut.« Timha schlug die Augen nieder. »Wir haben's versucht, haben alles in unserer Macht Stehende probiert ... Sie haben gesagt, sie würden uns töten, wenn wir's nicht schaffen.«
»Und deshalb bist du geflohen«, schlussfolgerte Sela.
»Aber du hast doch die Pläne dabei«, sagte Silberdun. »Willst du damit sagen, dass sie gefälscht sind?«
»Nein!«, schrie Timha. »Sie sind echt, zudem außerordentlich genau und detailliert, da sie von Hy Pezho selbst stammen. Aber der ist tot und kann uns nun nicht mehr erzählen, wie das alles funktioniert.«
»Das sagt er uns jetzt?!«, rief Silberdun entrüstet aus.
»Ich wollte verdammt noch mal nicht sterben«, sagte Timha. »Verflucht, ich bin gewillt, den Seelie die Pläne zu geben! Daran seht ihr doch, wie verzweifelt ich bin. Und wenn ihr rausfindet, wie man das Ding baut, dann habt ihr die Einszorn und Mab nicht. Versteht ihr das denn nicht? Versteht ihr denn nicht, was ich getan habe?«
»Lustiger Name - Einszorn«, sinnierte Lin Vo. »Eins Zorn. Fürwahr ein komischer Name für eine Waffe. Warum benennt man so ein Ding nach einem erfundenen Gott, der angeblich schon tausende von Jahren unter der Erde begraben liegt?«
»Dann glaubt Ihr also nicht, dass die Götter existieren?«, fragte Silberdun. »Ich dachte immer, die Arami verehren die Götter der Chthoniker.«
»Oh, die Götter existieren durchaus«, sagte Lin Vo. »Allerdings nicht so, wie Ihr denkt. Und Ihr alle werdet lernen müssen, die Dinge anders zu betrachten, wenn Ihr überleben wollt.«
»Schon wieder eine Vorahnung?« Silberdun seufzte.
»Nein, eine Lebensweisheit.« Lin Vo sah zu Timha. »Alle, außer Euch«, fügte sie mit Blick auf den Unseelie hinzu. »Ihr werdet auch weiterhin das tun, was ihr immer tut.«
Silberdun wirkte einigermaßen irritiert. »Ich weiß nicht, wie's meinen Gefährten geht, aber ich für meinen Teil hab für heute Abend genug von weisen Vorhersagen. Ich schätze Eure Gastfreundschaft sehr, aber ich denke, ich hätte jetzt gern ein Bett.«
»Ich kann's Euch nicht verdenken, Silberdun. Das ist in der Tat alles recht ermüdend und unergiebig, und wir Seher haben in dieser Hinsicht einen ziemlich schlechten Ruf. Doch das, was wirklich vor uns liegt, lässt sich nun mal nicht mit Worten beschreiben. Sobald man die Zukunft in Worte fasst, verfälscht man sie. Ich kann Euch daher nur die Richtung weisen. Aber ich kann Euch nicht sagen, was Ihr am Ende Eures Weges vorfinden werdet. Zum Verrücktwerden, ich weiß. Und auch nicht viel besser, als das, was die Götter so anstellen.«
»Ja«, sagte Silberdun matt, und Eisenfuß sah, dass er unendlich müde war. Die Last der Führerschaft, der Druck der Verantwortung für diese Mission, dies alles erschöpfte ihn.«
»Ruht Euch aus, Silberdun. Ich hab Euch nichts mehr zu sagen; tatsächlich muss ich zugeben, je weniger Ihr wisst, umso besser. Nehmt Timha und Eisenfuß mit Euch. Je Wen wird Euch einen Platz zeigen, wo Ihr Euch hinlegen könnt.
»Danke.« Silberdun wirkte ehrlich erleichtert.
»Und was ist mit mir?«, fragte Sela.
»Zu dir komme ich jetzt«, sagte Lin Vo. »Aber lass mich dir zunächst noch einen Tee einschenken, denn es wird eine Weile dauern.« Sie sah zu den Männern. »Und jetzt raus mit Euch dreien. Das ist reine Frauensache.«
Eisenfuß, Silberdun und Timha verließen das Zelt. Je Wen wartete draußen schon auf sie.
»Und? War Euer Gespräch lohnend?«, fragte er.
»Keine Ahnung«, gab Eisenfuß zurück.
Je Wen lächelte wissend. »Kommt mit.«
Im Zelt neben Lin Vo lagen vier Matratzen, auf denen sich Decken und Kissen türmten, ansonsten war es leer. Silberdun streckte sich auf einem der Lager aus, doch er schloss die Augen nicht. Noch bevor Eisenfuß sich die Stiefel ausgezogen hatte, war Timha schon auf seiner Matratze eingeschlafen.
»Ich dachte, du bist müde«, sagte Eisenfuß zu Silberdun.
»Bin ich auch. Erschöpfter als ich lange Zeit gewesen bin.«
»Das war ein sehr ... ungewöhnliches Gespräch«, bemerkte Eisenfuß.
Silberdun setzte sich auf,
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