Schattenspäher
die alten Chthoniker ebenfalls einen Weg gesucht, immense Mengen re anzuhäufen, um damit das Gleiche anzustellen wie Hy Pezho. Ich kann mir nicht vorstellen, was man mit einer solch ungeheuren Masse an Energie sonst anfangen sollte.«
»Und was hat Hy Pezho damit gemacht?«, fragte Sela.
»Nun, es stellte sich heraus, dass die Einszorn, trotz ihrer oberflächlichen Komplexität, im Grunde recht einfach aufgebaut ist. Sie tut nichts anderes, als den eben beschriebenen Prozess umzukehren. Sie erschafft eine Faltung, zieht dasselbe undifferenzierte re heraus und entfesselt es. Der Unterschied ist nur, dass dieses eingeschlossene re hoch konzentriert ist, und sobald es entfesselt wird ...«
»Bumm!«, machte Sela.
»Genau.«
»Gut«, meinte Paet. »Kannst du denn, in Anbetracht deiner neuen Erkenntnisse, nun eine eigene Einszorn bauen oder irgendwas Vergleichbares, das wir Mab entgegensetzen können?«
»Nicht in den nächsten vier Tagen«, sagte Eisenfuß. »Ich weiß nicht, wie genau Hy Pezho es zustande gebracht hat, aber das ist auch egal, denn ich glaube, ich bin in der Lage, etwas Ebenbürtiges, wenn nicht Besseres auf die Beine zu stellen.«
»Und was wäre das?«, wollte Paet wissen.
»Ich kann uns dahin bringen, wo all das re zwischengelagert wird«, sagte Eisenfuß, »und es in den Äther fortkanalisieren.« Er machte eine Pause. »Es gibt da nur ein Problem.«
»Welches?«, fragte Silberdun.
»Um dorthin zu gelangen, brauchen wir jemanden, der imstande ist, mit undifferenziertem re umzugehen. Jemanden mit der Dreizehnten Gabe. Und die einzige Fae, die ich kenne und die das kann, ist eine alte Arami-Frau irgendwo da draußen auf Unseelie-Territorium gleich gegenüber der wohl größten Feind-Armee aller Zeiten.«
»Tatsächlich«, Silberdun räusperte sich, »weiß ich vielleicht noch jemanden. Ein Mädchen, das ich mal kannte.« Er sah kurz zu Sela, die erbleichte und den Blick senkte.
»Wo ist dieses Mädchen?«, fragte Paet.
»In Estacana. Zumindest war sie dort, als ich sie das letzte Mal sah.«
Paet seufzte. »Dann schaff sie herbei. Auf der Stelle.«
Er wandte sich an Eisenfuß. »Und während wir auf Silberduns Rückkehr warten, hab ich auch eine Aufgabe für dich.«
34. KAPITEL
Die Erneuerung einer alten Freundschaft ist ein Geschenk, das man sowohl gibt als auch erhält.
- Fae-Sprichwort
Die Amtssuite des Ratsvorsitzenden von Blut von Arawn stellte eine beeindruckende Verbesserung gegenüber dem Büro des Magisters dar, das Eyn Wenathn genutzt hatte, als Eisenfuß ihn das erste Mal traf.
»Brenin Molmutius!«, rief Wenathn herzlich, als er in das Büro geführt wurde. In Annwn reiste Eisenfuß als Brenin Dunwallo Molmutius, seines Zeichens Oberhaupt einer Insel in Mag Mell. Um als Bewohner von Mag Mell durchzugehen, war ein gehöriger Aufwand in Sachen Blendwerk getrieben worden, doch bis jetzt hatte der Schwindel gut funktioniert.
»Danke, dass Ihr mich so kurzfristig empfangt«, sagte Eisenfuß.
»Nehmt doch Platz«, erwiderte Wenathn. »Was kann ich für Euch tun?«
»Das ist eine gute Frage«, sagte Eisenfuß. »Eine ganze Menge, um ehrlich zu sein.« Er nahm einen Umschlag aus dem Geheimfach seines Ranzens, der mit dem Siegel von Lord Everess verschlossen war, und reichte ihn Wenathn. »Lest dies.«
Wenathn brach das Siegel und überflog die Zeilen. »Davon wusste ich nichts«, sagte er schließlich.
»Aber Ihr wusstet, dass unsere Unterstützung ihren Preis haben würde«, sagte Eisenfuß. »Dass die Rechnung eines Tages kommen würde.«
»Gut, aber worum Ihr bittet ...«, begann Wenathn. »Die Konsequenzen.«
»Ihr habt den Brief gelesen«, sagte Eisenfuß. »Er wurde von Everess unterzeichnet und trägt sein Siegel.«
Wenathn strich das Schreiben auf der Tischplatte glatt und las es erneut. »Wie man so hört, hat Lord Everess' Namen in Bälde vielleicht nicht mehr allzu viel Gewicht.«
»Und diese Gelegenheit solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen«, sagte Eisenfuß. »Denn wenn herauskommt, wie Ihr zu Eurem Machtzuwachs gekommen seid, dürfte das auf Euren eigenen Namen gleichermaßen zutreffen.«
Wenathn nickte. Er war kein Narr.
»Wir wissen doch beide, dass es in Eurer Ratsversammlung genügend Leute gibt, die dies ohne zu zögern unterstützen würden. Besonders angesichts der schriftlichen Unterstützungszusage der Seelie-Regierung.«
»Wie lange habe ich, um mich zu entscheiden?«, fragte Wenathn.
»Ich habe nur bis Mittag Zeit«, erwiderte Eisenfuß
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