Schattenspäher
diskutiert, der durch die Tür hereinspaziert kommt.«
»Ich bin aber nicht ›jeder‹«, sagte Eisenfuß. »Das versuche ich Euch nun seit geraumer Zeit klarzumachen.«
Throen dachte kurz darüber nach, zögerte. »Also gut«, sagte er schließlich. Er griff in seine Robe, holte ein kleines Gebetsbuch und ein Päckchen Kräuter daraus hervor. »Zu Beginn des Gottesdienstes werden diese Kräuter im Räucherbecken verbrannt, zusammen mit ein paar Tropfen Blut. Das Blut des Hüters, um genau zu sein. Die Kräuter sind unterschiedlicher Natur, einige darunter sind recht verbreitet, anderer ausgesprochen selten. Und dann lesen wir diese Beschwörungsformel.« Er klappte das Buch an einer offenbar häufig geöffneten Stelle auf und deutete auf einen Spruch, der in der kantigen Hochfae-Runenschrift niedergeschrieben war. »Damit aktivieren wir den Fokus-Zauber.«
»Dieser Spruch entfesselt lediglich eine eingeschlossene Bindung«, bemerkte Eisenfuß. »Aber was bewirkt er genau?«
Throen sah ihn verdutzt an. »Wie ich bereits sagte, er fokussiert die Ehrerbietung der Gläubigen.«
Eisenfuß hielt sich die Kräuter vor die Nase und schnüffelte. Es war derselbe Geruch wie der in Selafae. Es fehlte lediglich der Gestank nach verbranntem Blut. Und was hieß das nun?
»Wisst Ihr überhaupt, was diese eingeschlossene Bindung tut?«, fragte Eisenfuß.
»Ich bin kein Thaumaturg«, erwiderte Throen nun sichtlich ungehalten. »Ich bin Hüter der Kirche. Das hier ist ein geheiligtes Objekt, keine Zauberkiste.«
»Das wird Euch jetzt nicht sonderlich gefallen«, sagte Eisenfuß, »aber ich muss Eure Kynosure mitnehmen.«
»Unmöglich!«, rief Throen aus. »Ihr könnt doch nicht einfach in unseren Tempel kommen und unsere Heiligtümer stehlen. Das ist einfach schändlich!«
Eisenfuß griff nach der Kynosure, entfernte im Handumdrehen ihre Aufhängung, die mittels eines Bewegungszaubers angebracht worden war. Das Ding purzelte ihm in die Hände; es war viel schwerer, als es aussah.
»Es tut mir leid«, sagte er, »aufrichtig leid, aber -«
Throen warf sich auf ihn. »Rührt sie nicht an!«, brüllte er. »Ihr entweiht sie!« Er griff nach der Kynosure und versuchte, sie an sich zu reißen. Der Priester war stärker, als er eigentlich hätte sein dürfen. Eisenfuß ließ nicht los, und Throens Gesicht verfärbte sich rot, wobei er grunzte und ächzte.
Plötzlich traf Eisenfuß die Absurdität dessen, was hier geschah, wie ein Keulenschlag. Hier stand er, in einer Kirche, und rang mit einem Priester um ein heiliges Relikt, als handele es sich dabei um einen Spielball. Fast hätte er laut aufgelacht, doch in diesem Moment versetzte ihm Throen einen harten Stoß. Eisenfuß stolperte rückwärts vom Podest und fiel krachend in die erste Reihe des Gestühls. Sein Aufprall hallte durch den großen Altarraum wie ein Donnerschlag. In der nächsten Sekunde war Throen über ihm und zerrte an der Kynosure, als hinge sein Leben davon ab.
»Loslassen!«, brüllte er.
Eisenfuß nahm seine ganze Schattenstärke zusammen und zog mit einem entschlossenen Ruck an dem Objekt. Die Kynosure wurde Throens Griff entrissen, und der Hüter fiel zu Boden.
Eisenfuß rappelte sich auf und rannte mit seiner Beute Richtung Ausgang.
»Ihr werdet für diese schändliche Tat bezahlen!«, schrie ihm Throen hinterher. »Die Kirche wird das Außenministerium dafür zur Rechenschaft ziehen!«
»Dann sagt Euren Vorgesetzten, sie sollen sich an Lord Everess halten«, rief Eisenfuß über seine Schulter. »Das ist ihr Mann.«
Kurz darauf standen Eisenfuß und Silberdun im Einsatzraum über die Kynosure gebeugt. Sela saß an einem Tisch in der Nähe und sah dem Treiben der beiden zu.
»Genau hier«, sagte Eisenfuß. »Durchtrenne sie genau hier an der Kante.« Er wurde allmählich ungeduldig, denn er wusste, er war auf der richtigen Fährte. Gerade kanalisierte Silberdun Elemente in das keramische Gehäuse des Objekts, um es zu öffnen.
»Vorsichtig«, sagte er.
»Das sagtest du bereits«, knurrte Silberdun. »Ich bin so vorsichtig wie es geht. Wenn du's besser kannst, nur zu.«
Eisenfuß sah auf und erblickte Paet, der gerade die Stufen herunterkam.
»Was treibt ihr beiden da eigentlich?«, fragte der Anführer. »Wir haben viel Arbeit zu erledigen.«
»Eisenfuß hat beschlossen, einen heiligen Krieg zu beginnen«, sagte Silberdun. »Daher entweihen wir gerade ein göttliches Artefakt. Vielleicht lässt du Everess derweil wissen, dass er bald höchst
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