Schattenspäher
endlich treffen. Die Schlacht, das spürte er in den Knochen, war so gut wie geschlagen. Die Männer um ihn herum jubelten schon und schwangen siegesgewiss ihre Schwerter. Klappern und Kreischen. Hufgetrommel und gebellte Befehle.
Plötzlich explodierte hinter ihm eine neue Sonne. Schon in der nächsten Sekunde wurde er vom Pferd geschleudert und landete mit dem Gesicht im Dreck. Überraschte Rufe und Schmerzensschreie wurden laut. Mauritane setzte sich auf und sah hinauf zu der Stelle, an der sein Kriegslager stand. Eine Flammensäule stieg von dem Hügelkamm am Rande des Tals auf. Die Bäume, die unweit seines Heerlagers gestanden hatten, brannten lichterloh. Vom niedergetrampelten Gras an den Hängen stieg Rauch auf. Das Feldlager der Seelie existierte nicht mehr. Und wenn er nicht wider alle Vernunft in die Schlacht geritten wäre, dann wäre er jetzt auch tot.
Die Einszorn hatte zugeschlagen. Die Schatten hatten versagt. Nach all den Anstrengungen und Rückschlägen schien es, als sei die Niederlage nun nicht mehr abzuwenden.
Doch an diesem Punkt war selbst das Mauritane egal. Er rappelte sich auf, schwang sein Schwert durch die Lüfte und schrie: »Für das Herz der Seelie! Auf nach Elenth!«
Viele seiner Soldaten schlossen sich ihm an, stimmten leidenschaftlich in seinen Schlachtruf mit ein, als sie gen Elenth vorrückten. Nicht alle von ihnen, aber möglicherweise genug.
Für Mab und ihre Unseelie entwickelten sich die Dinge nicht zum Besten. Die Berichte, welche die Regentin in ihren Gemächern über der neuen Stadt Mab erreichten, wurden immer verheerender. Der Hohe Rat der Annwni hatte sich gegen ihre Besatzer aufgelehnt und den Gouverneur und Prokonsul erschlagen. Es ging sogar das Gerücht, dass die Annwni sich mit den Seelie zu verbünden drohten, und das Nächste, was Mab erfuhr, war, dass die Annwni-Truppen dies tatsächlich getan hatten und nun Chaos und Verwüstung entlang der Front anrichteten.
Zu allem Überfluss schien sich jeder Arkadier im Kaiserreich gegen sie verschworen zu haben. Sie stahlen Pferde, sabotierten die Nachschubkarren, fingen Nachrichten ab. Eine ganze Kompanie des Fünften Bataillons war zu den Seelie übergelaufen, nachdem sie von den Arkadiern »bekehrt« worden waren.
Mab ging in ihren Räumen auf und ab. Bald würde Hy Pezho zurückkehren. Es wäre ihm, diesem Wahnsinnigen, ein Leichtes, weitere Einszorn-Bomben zu erschaffen. Wenn er dabei nur nicht Ein aufweckte.
Mab und Ein hatten eine gemeinsame Vergangenheit, und ihre Beziehung war nicht gerade harmonisch zu Ende gegangen.
Ja, schon bald würde Hy Pezho wieder hier sein. Und Titania würde am Ende vor ihr niederknien. Alles, was dazwischen geschah, waren nur kleinere, unbedeutende Rückschläge.
39. KAPITEL
Das »Warum?« ist nur auf lange Sicht von Interesse.
Für den Moment ist nur das »Wie?« entscheidend.
- Meister Jedron
»Wir sind die Schatten.« Mit gezücktem Messer trat Silberdun auf den fliegenden Mann zu. »Und wer zum Henker seid ihr?«
»Die verruchten Schatten! Ich hätte es wissen müssen!«, sagte der Mann. Er vollführte eine kleine Verbeugung in der Luft. »Ich bin Hy Pezho. Der Schwarzkünstler. Ich wurde bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt, habe kürzlich aber eine wundervolle Verwandlung erfahren. Ich schätze, ihr seid meine Nemesis.«
»Wir sind hier, um Euch am Bau der Einszorn zu hindern«, sagte Silberdun. »Wir sind hier, um es ein für alle Mal zu beenden.«
»Hm«, machte Hy Pezho. »Das ist interessant.«
»Ist es das?«, fragte Silberdun.
Hy Pezho neigte den Kopf. »Nein, ich hab mich nur gefragt, wie ihr hier auf diesem Boden stehen könnt. Immerhin besteht er aus solidem Eisen.«
»Nicht mehr«, sagte Silberdun. »Das haben wir geändert. Wenn Ihr deshalb in der Luft hängt, könnt Ihr nun getrost runterkommen.«
Hy Pezho wirkte entsetzt. »Was soll das heißen, ihr habt ›das geändert‹? Das ist unmöglich!«
»Wir haben alle unsere kleinen Geheimnisse«, meinte Silberdun. Und jetzt kommt runter, wir sind in der Überzahl.«
»Aufhören!«, brüllte Hy Pezho. »Was immer ihr da macht, hört sofort auf damit. Habt ihr denn überhaupt eine Ahnung, was ihr da tut?«
Silberdun warf Eisenfuß einen Blick zu. Das war nicht ganz die Reaktion, die sie vom berüchtigten Schwarzkünstler Hy Pezho erwartet hatten.
Hy Pezho warf die Arme in die Luft und erleuchtete die gesamte Kammer mit gleißend hellem Hexenlicht. »Seht euch um, ihr Narren. Habt ihr überhaupt eine
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