Schattenspäher
Ahnung, wo ihr seid?«
Silberdun schaute von links nach rechts, und er brauchte einen Moment, um zu begreifen, was er sah. Die Halle nahm fast die gesamte Grundfläche der Burg ein, mit Ausnahme des schmalen Ganges, durch den sie hierhergelangt waren. Die Halle war leer, bis auf eine Anzahl eiserner Sockel, die sich unter Faellas Magie allmählich in Kobalt verwandelten. Jede Plattform war mannshoch, um die zwölf Meter lang und etwa sechs Meter breit.
Doch es war das, was auf diesen Sockeln stand, das Silberdun die Sprache verschlug. Umwickelt von eisernen Bindungen kauerten auf ihnen zwölf gigantische Figuren. Sie besaßen die Gestalt der alten Thule Fae, der ersten Elfen, mit ihren langen, elegant geschwungenen Ohren, den großen Augen und den hochgewachsenen, schlanken Körper. Die zwölf Statuen waren allesamt gleich gekleidet, nur die Farben ihrer langen Gewänder und die darauf gestickten Insignien variierten. Sechs von ihnen waren männlich, sechs weiblich.
Zwölf Figuren insgesamt.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte Silberdun.
»Das wisst ihr nicht?«, schrie Hy Pezho. »Ihr dringt hier ein und wisst nicht mal, wo ihr seid?«
»Nun, dann sagt es uns doch«, erwiderte Silberdun.
»Und ich dachte, das wäre offensichtlich«, zischte Hy Pezho. »Ich vermute, ihr seid auf demselben Weg hierhergelangt wie ich. Indem ihr mittels einer Kynosure die Raumfaltung genutzt habt?«
»Das stimmt«, sagte Silberdun.
»Und die Kynosure ist ein chthonisches Artefakt«, sagte Hy Pezho. »So schaut euch um, und was seht ihr? Richtig, chthonische Götter. Die zwölf gebundenen Götter, um genau zu sein.«
»Soll das ein Witz sein?«, schnaubte Eisenfuß.
»Ihr seid in Prythme«, sagte Hy Pezho. »An dem Ort, an den die Götter vor Jahrmillionen gebunden wurden. Und wenn ihr nicht damit aufhört«, er deutete auf die Figuren, wo die grauen Verästelungen sich gerade anschickten, die Eisenbindungen in Kobalt zu verwandeln, »dann werdet ihr sie freilassen.« Hy Pezho starrte die Gruppe düster an. »Und glaubt mir, ihr wollt nicht, dass das passiert.«
»Das ist ja lächerlich«, stieß Eisenfuß hervor. »Gebundene Götter. Prythme. Und Ihr seid vermutlich Uvenchaud persönlich, der gerade von seinem letzten Drachenkampf zurückgekehrt ist.«
Sanft landete Hy Pezho auf dem Boden. Die Silberrüstung fiel von ihm ab, indem sich die Einzelteile einfach zurückbogen, sodass er aus ihr heraussteigen konnte. Darunter trug er eine schlichte Robe, und er war unbewaffnet. Die Silberrüstung erhob sich in die Lüfte und verschwand in den Schatten der mächtigen Kuppeldecke, die Hy Pezhos Hexenlicht nicht mehr erreichte.
»Vertraut mir, das hier ist alles sehr real.«
Faella und Sela traten an den Sockel heran, neben dem Silberdun und Eisenfuß standen. Argwöhnisch starrte Hy Pezho die Mestina an. »Das wart Ihr, stimmt's? Dieses re, was aus Euch kommt ... Es ist wie das aus ... der Hölle. Ihr seid es, richtig? Ihr seid sie.«
»Wer soll ich sein?«, fragte Faella.
»Ihr seid die mit der Dreizehnten Gabe. Faella. Glaubt Ihr, Mab wüsste nicht von Euch? Euer Licht strahlt in den Faelanden heller als ein Freudenfeuer in der Nacht.«
»Ich fühle mich geschmeichelt«, erwiderte Faella.
»Mab hat ihre Invasion aus zwei Gründen gestartet«, fuhr Hy Pezho fort. »Der eine bestand darin, Titania zu unterwerfen. Der andere war, Euch zu töten.«
»Und wie komme ich zu dieser zweifelhaften kaiserlichen Ehre?«, fragte Faella.
»Weil Ihr imstande seid, unsagbar dumme Dinge anzustellen, so, wie Ihr es im Moment ja auch tut«, erwiderte Hy Pezho. »Wenn Ihr nicht damit aufhört und die Bindungen wieder in Eisen zurückverwandelt, erwartet uns alle der Tod. Vielleicht sogar Schlimmeres als der Tod.«
»Erklärt mir, was dieser Ort genau ist, und ich werde es mir vielleicht überlegen.«
Hy Pezho sah an dem Sockel hinauf, neben dem sie standen. Er wurde sekündlich grauer, und der Schwarzkünstler seufzte. Aus irgendeinem Grund hatten die Verästelungen es schwerer, an der Plattform hinaufzukriechen. Hielt irgendwas sie davon ab?
»Es geschah während des Rauane Envedun-e«, begann Hy Pezho. »In jener Ära also, in der sich die lächerlichsten und gefährlichsten Dinge in der Geschichte der Fae ereigneten.« Er sah wieder hinauf und leckte sich die Lippen. »Zu dieser Zeit gab es die Chthoniker schon über tausend Jahre, in denen sie freudig ihren zwölf Göttern gehuldigt hatten. Freudig und mit erstaunlicher
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