Schattenspäher
Zeit recht angenehm ist.«
»Führt mich dorthin«, sagte Everess. »Eisenfuß.«
Sie nahmen den Pfad hinab zum Fluss und erreichten die Stelle, an dem das Forschungsteam seine Wäsche wusch. Der Fluss schlängelte sich um die Ruinen der Stadt nach Norden, und Eisenfuß schlug diese Richtung ein.
»Wisst Ihr, Ihr seid ein recht interessanter Bursche«, sagte Everess. »Die Verkörperung der Gegensätze, wie man sagt.«
»Danke sehr, mein Herr«, sagte Eisenfuß. »Ich betrachte mich gern als einzigartig.«
»Der Sohn eines Schäfers aus der Provinz, der es schaffte, für seinen Alleingang im Gnomkrieg mit einer Aufnahme an der Königinnenbrück-Akademie belohnt worden zu sein. Und hier seid Ihr nun, Jahre später, ein respektierter Thaumaturg und Lehrstuhlinhaber an einer der renommiertesten Universitäten in den Faelanden. Das ist mehr als interessant, das ist verdammt beeindruckend.«
»Danke schön«, erwiderte Eisenfuß. »Dennoch hatte auch das Glück seinen Anteil daran.«
»Das Glück ist mit den Tüchtigen«, sagte Everess. »Ihr habt einen exzellenten Verstand und seid ein vortrefflicher Soldat.«
»Ich möchte nicht unhöflich erscheinen, mein Herr, aber ich bin mir sehr wohl darüber im Klaren, wer ich bin und was ich getan habe. Darf ich daher fragen, weshalb Ihr wirklich hier seid?«
Everess lachte, ein bellendes Geräusch, bei dem sich Eisenfuß sehr unbehaglich fühlte. Er lächelte höflich zurück.
Everess' Miene wurde ernst. Er sah hinaus auf den Fluss. Das Licht der aufgehenden Sonne in ihrem Rücken brach sich auf der Wasseroberfläche. »Ich weiß, was Ihr hier tut, welches Ziel Ihr verfolgt.«
»Ist das so?«
»Und ich weiß auch, dass Euer Dekan an der Königinnenbrück-Akademie denkt, dies sei unmöglich. Er erwägt, das Projekt einzustellen.«
»Diese Art von Forschung ist teuer«, sagte Eisenfuß. »Und es besteht in der Tat die Möglichkeit, dass unsere Bestrebungen nicht von Erfolg gekrönt sind.«
»Bei allem Talent, mein Sohn, seid Ihr ein lausiger Politiker.«
»Keine Laufbahn, die ich jemals angestrebt hätte.«
Der Pfad wurde steiler, und Everess schwieg für eine Weile, während er mit seinem Stock die Steigung erklomm. Oben angekommen, hielt er inne und bewunderte die Aussicht. Die zerstörte Stadt lag hinter ihnen, vor ihnen breitete sich das Flusstal aus, an das sich das Ackerland anschloss. Die meisten Felder waren jedoch unbestellt, da die Stadt nun nicht mehr existierte und somit eine Bewirtschaftung sinnlos war.
»Wisst Ihr, welche Position ich innehabe, Eisenfuß?«, fragte Everess.
»Ich fürchte nein. Wie Ihr bereits festgestellt habt, zählt die Politik nicht gerade zu den Themen, bei denen ich mit meinen überragenden Fähigkeiten glänzen könnte.«
»Ich bin der Außenminister, was bedeutet, dass ich große Verantwortung für dieses Land trage. Und um dieser Verantwortung gerecht zu werden, dürfen nun einmal nur die besten und talentiertesten Männer und Frauen für mich arbeiten.«
»Bietet Ihr mir eine Stellung an, mein Herr?«
»Was, wenn ich Euch - für den Fall, dass Ihr für mich arbeitet - jegliche thaumaturgische Forschung Eurer Wahl finanzieren würde, während ich Euch gleichzeitig zu ein wenig körperlicher Betätigung verhelfe.«
»Mein Herr?«
»Ihr wart es doch, der sich über die Grenze in die Umfochtenen Lande gestohlen hat, um die Arbeiten an einer uralten Arami-Ausgrabung zu untersuchen, oder etwa nicht? Eine Unseelie-Expedition, wie ich hinzufügen möchte.«
»Das war durchaus interessant!«
»Ach ja? Wir nahmen lange Zeit an, Ihr wäret ein Spion, bis ich Euch dann überwachen ließ.«
»Ihr habt mich beobachtet? Ich verstehe nicht.«
»Nur die Besten und Talentiertesten«, wiederholte Everess. »Ich biete nicht jedem eine solche Gelegenheit.«
»Wieso glaubt Ihr, ich würde die Universität verlassen wollen?«, fragte Eisenfuß.
»Ich weiß genau, aus welchem Grund Ihr sie verlassen würdet. Und ich weiß auch, dass Ihr Euch längst mit diesem Gedanken tragt.«
»So? Und warum?«
»Weil Ihr Euch langweilt.«
Eisenfuß wusste nichts darauf zu erwidern.
»Ich weiß das Angebot durchaus zu schätzen«, sagte er nach einer Weile, »aber wie Ihr ja wisst, bin ich derzeit mit einer ziemlich wichtigen Sache befasst.«
»Dem stimme ich zu«, sagte Everess. »Und deshalb ist eine der Voraussetzungen für Eure Arbeit im Ministerium, dass Ihr diese Aufgabe zuvor abschließt. Wie Ihr Euch sicherlich denken könnt, sind wir
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