Schattenspäher
»Wer zum Henker seid Ihr?«, knurrte er schließlich.
Silberdun sah sich Hilfe suchend zu Ilian um. Der zog sich neben die Tür zurück und bedeutete Silberdun mit einem Kopfnicken einzutreten.
»Seid Ihr schwachsinnig, oder was?«, sagte Jedron. »Ich hab Euch eine Frage gestellt. Wer seid Ihr, verdammt noch mal?«
Silberdun räusperte sich. Was ging hier vor? »Ich bin Perrin Alt, Lord Silberdun. Und ich kam, um mich Euch für meine Ausbildung zu empfehlen.«
Einen Moment lang wirkte Jedron verblüfft. Dann brach er in schallendes Gelächter aus, als hätte Silberdun ihm soeben den lustigsten Witz aller Zeiten erzählt.
»Was? Ihr?« Jedron zeigte auf Silberdun und krümmte sich vor Lachen. »Der war gut. Echt gut. Wer hat Euch bloß dazu angestiftet?«
Silberduns Ohrspitzen begannen zu glühen. »Ich kann Euch versichern, Sir, dass dies kein Scherz ist. Lord Everess persönlich hat mich zu Euch geschickt.«
»Ach, hat er das?« Jedrons Gelächter wurde zu einem unterdrückten Glucksen. »Ihr werdet meine Belustigung sicherlich verstehen.«
»Ich fürchte nein«, erwiderte Silberdun steif. Dafür würde er Everess eigenhändig töten, so viel war sicher.
»Also wirklich, seht Euch doch nur mal an. Ihr seid so herausgeputzt und verweichlicht, dass Ihr praktisch von einer Frau nicht zu unterscheiden seid!« Jedron nahm die Füße vom Tisch und lehnte sich auf seinem Stuhl vor. »Nicht, dass ich keine Frauen ausgebildet hätte«, fügte er hinzu, »das wollte ich nicht damit sagen. Doch ich muss leider gestehen, die meisten Frauen, die ich geschult habe, waren bei weitem männlicher als Ihr.«
Der Alte schüttelte den Kopf und erhob sich. »Und ich dachte schon, der andere Neuzugang wäre eine Zumutung.«
Silberdun verdrehte die Augen. »Verstehe. Das ist so eine Art Prüfung, um herauszufinden, ob ich in Extremsituationen mein Temperament zu zügeln imstande bin, stimmt's?«
Rasend schnell holte Jedron aus und schleuderte den gläsernen Briefbeschwerer durch den Raum. Das Ding traf Silberdun mit unglaublicher Härte an der Schläfe. Er stolperte rückwärts; der Schmerz war schier unerträglich. Er wollte sich irgendwo festhalten, da ihm plötzlich schwindelig wurde, doch da war nichts. Rote und blaue Flecken tanzten vor seinen Augen, dann wurden ihm die Knie weich. Hart landete er auf seinem Hinterteil.
In Silberduns Kopf hämmerte es; sein ganzer Schädel drohte zu platzen. Wenn er aufblickte, war die Sicht verschwommen und er sah alles doppelt. Jedron stand jetzt über ihm und sah abschätzig auf ihn herab.
»Nun, Ihr hattet in einem Punkt Recht, Junge. Dies war Eure erste Prüfung, und Ihr habt kläglich versagt, so leid es mir tut.«
»Oh«, murmelte Silberdun. »Wie hieß die Prüfung?«
Jedron sah Silberdun an, als hätte er den dümmsten Mann aller Zeiten vor sich. »Wie man fliegenden Briefbeschwerern ausweicht«, sagte er nur.
Silberdun erwachte in einem fremden Bett. Er war mit Ausnahme der Stiefel vollständig angezogen, und in seinem Schädel pochte es wie verrückt. Er griff sich an die Schläfe und verzog das Gesicht, als er die dicke Beule ertastete, die sich dort über Nacht gebildet hatte.
Vorsichtig setzte er sich auf und ächzte. Nach und nach fielen ihm die Ereignisse des vergangenen Abends wieder ein. Die unerquickliche Überfahrt, der beschwerliche Marsch hinauf zu Kastell Weißenberg, der alte Bastard mit seinem Briefbeschwerer. Danach wurde seine Erinnerung ein wenig verschwommen.
Das Bett war bequem, die Matratze daunengepolstert, das Kissen groß und weich. Als er seine Füße auf den Boden stellte, spürte er einen flauschigen Bettvorleger und keinen kalten Stein unter seinen Sohlen. Er kam umständlich auf die Beine; der Schmerz, der dabei durch seinen Schädel zuckte, war schlimmer als erwartet.
Als sich seine Sicht wieder klärte, sah er sich im Zimmer um. Es war klein, doch nicht beengt. Das Mobiliar solide, doch nicht extravagant. Über einem Stuhl lag eine frische Garnitur Kleidung, seine Stiefel standen gleich daneben - gesäubert und auf Hochglanz poliert. Von einem Haken an der Wand baumelte sein Schwert.
Er zog sich langsam an und betrachtete sich in dem Spiegel aus perfektem Glas. Trotz der lilafarbenen Beule an der Schläfe war er immer noch auf eine verwegene Weise anziehend. Sicher, er hatte einst viel besser ausgesehen, aber ... In diesem Moment entdeckte er ein Bändel, das am Spiegelrahmen hing, mit dem er sich nun das lange Haar
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