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Schattenspäher

Schattenspäher

Titel: Schattenspäher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Sturges
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Draht hin oder her, überhaupt anstellen sollte.
    »Verflucht seist du, Jedron!«, brüllte er außer sich und donnerte gegen die Tür, was er auf der Stelle bereute.
    Durchatmen. Nachdenken. Ruhig Blut. Wenn ihm der Kragen platzte, wäre damit überhaupt nichts gewonnen. Und falls Jedron ihn durch ein verstecktes Guckloch oder mittels Klarsicht beobachtete, würde seine Wut den alten Mann bestimmt amüsieren. Keine Frage: Niemand hatte die Absicht, ihm zu helfen. Er konnte der Tür nicht beikommen. Das Fenster erwies sich als nutzlos für seine Zwecke. Und er konnte sich auch nicht mittels Magie durch die Wände oder die Decke nach draußen befördern.
    Es musste also irgendwas im Zimmer sein, das ihm helfen konnte. Am Ende vielleicht doch jenes Stückchen Draht, mit dem er sich im Schlösserknacken üben konnte. Er sah unters Bett. Nichts. Er öffnete die Schubladen des kleinen Sekretärs und tastete sie von innen ab, zog dann jede Lade heraus und schaute unter die Böden. Nichts. Er zog den Sekretär ein Stück von der Wand ab und untersuchte die Rückseite. Nichts. Er nahm den Spiegel von der Wand und stellte tatsächlich fest, dass der mit einem Stück Draht am Wandhaken aufgehängt worden war. Doch bei genauerer Betrachtung wurde klar, dass der Draht viel zu dünn war, um damit ein Schloss zu öffnen. Der Bettrahmen bestand aus Holzbrettern, die mittels ebenfalls hölzernen Zapfen zusammengehalten wurden.
    Nach einigen Minuten hatte Silberdun jeden festen Gegenstand im Raum untersucht und nichts gefunden, das ihm weiterhelfen konnte. Blieben nur noch das Kopfkissen und die Matratze. Ärgerlich bohrte Silberdun die Spitze seines Schwerts in das Kissen; Gänsedaunen stoben durchs Zimmer. Der Anblick der ziellos zu Boden schwebenden Federn erzürnte Silberdun in einer Weise, die er sich selbst nicht erklären konnte. Außer sich vor Wut hackte er mit der Klinge auf die Matratze ein, und das Daunengestöber wurde stärker. Wieder und wieder schlug er auf das Unterbett ein, den Schmerz in seinem Kopf ignorierend.
    Er hatte die Matratze fast gänzlich in Stücke gehauen, als er sowohl spürte wie auch hörte, dass die Klinge auf Metall traf. Da, in der Mitte der ruinierten Matratze, lag ein silberner Schlüssel! Was für ein Versteck! Silberdun schnappte ihn sich und schob ihn in das Schloss. Er passte perfekt.
    Meister Jedron und Ilian lungerten im Gang vor seinem Zimmer herum.
    Jedron grinste. »Das hat aber gedauert«, bemerkte er nur.
    »Und was war das nun wieder für eine Prüfung?«, grunzte Silberdun. »Wie man ein Bett entwaffnet‹?«
    »Nein«, sagte Jedron. »Die Prüfung sollte Euch lehren, nicht herumzustehen und darauf zu warten, dass andere Euch sagen, was zu tun ist. Diese Lektion sollte Euch beibringen, zur Abwechslung mal Euren eigenen Kopf zu gebrauchen.«
    Jedron wagte einen Blick in Silberduns Zimmer. Der ganze Boden war von einer dicken Federschicht bedeckt. »Ich hoffe, es macht Euch nichts aus, auf dem Lattenrost zu schlafen«, sagte er lächelnd. »Das ist, oder vielmehr war nämlich die einzige Matratze, die Ihr bekommt.«

9. KAPITEL
    Der Himmel über der Geheimen Stadt ist reinster Irrsinn.
    Es ist dies Mabs Welt. Und es ist dies Mabs Himmel.
    In der Geheimen Stadt rinnt die Vergangenheit durch die Abflussgräben und verschwindet in der Kanalisation.
    Es ist dies Mabs Vergangenheit. Und es ist dies Mabs Kanalisation.
    Die Bürger der Geheimen Stadt sind längst fort.
    Sie machten Platz den Geheimnissen, die sie einst kannten.
    Es sind dies Mabs Leute. Und es sind dies Mabs Geheimnisse.
    - Ma Tula, »Die Geheime Stadt«
    Frierend erwachte Timha in seiner winzigen Kammer. In seinen Eingeweiden rumorte noch dasselbe Unbehagen wie vor Wochen. Trotz der Kälte waren seine Brust und Arme nass von Schweiß. Jeden Tag, den er die Augen aufschlug, war es das Gleiche: die Kälte, die Beklommenheit, der Schweiß. Timha kleidete sich rasch an, warf sich seine Robe über und wickelte sich in einen langen Umhang, der ihn ein wenig wärmer halten würde. Doch die Robe darunter hinderte den Schweiß am Verdunsten, wodurch sich seine Haut immer ein wenig klamm anfühlte.
    In der Stadt war es immer kalt. Immer kalt und immer grau. Egal, wohin Timha auch ging, der Wind schien stets einen Weg zu ihm zu finden. Dann kroch er wieder unter seine Roben und ließ ihn frösteln. Zahllose Male am Tag. Selbst die Feuer in den Gemeinschaftsräumen schienen weniger heiß zu brennen als sie sollten und besaßen einen

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