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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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stehen. Er war nie in seinem Leben freiwillig ohne Begleitung in eine Kneipe gegangen; Saufen und Grölen, allein schon die Gesellschaft von so vielen Männern stieß ihn ab. Jetzt trat er ein, setzte sich an einen Tisch und bestellte schnell einen doppelten Whisky.
    Er trank die halbe Nacht. Gegen zwölf war er so besoffen, daß er seinen eigenen Namen nur noch mit größter Mühe und nach langem Nachdenken aussprechen konnte.
    »Du solltest Schluß machen für heute«, meinte der Wirt gutmütig, als Steve ihn erneut mit lallender Stimme an seinen Tisch beorderte, »wird sonst wirklich zuviel. Soll ich dir ein Taxi bestellen?«
    »Ein... ein doppel... doppelter... W... Whisky«, stieß Steve hervor.
    »Dir wird’s morgen dreckig gehen, Junge, glaub es mir. Es ist wirklich besser, du hörst jetzt auf. Hast du denn einen Grund, dich so zu besaufen?«
    Steve starrte ihn aus schwimmenden Augen an. »Alles... Scheiße«, murmelte er.
    »Klar«, stimmte der Wirt zu, »alles Scheiße. Wird aber dadurch auch nicht besser!« Er wies auf das Whiskyglas, das Steve in der Hand hielt. Steve schaute in das Glas, als suche er darin nach der Wahrheit.
    »K... Kommen Sie«, sagte er zu dem Wirt, »trinken Sie m... m... mit mir!«
    »Worauf denn?«
    »D... darauf, daß b...bald mal jemand dem verdammten D... David B... B... Bellino eine Ku... Kugel in seinen verd... verdammten Kopf schießt«, sagte Steve und trank den letzten Schluck.

    »Okay, ein letztes Glas«, der Wirt gab nach und holte die Flasche. Er kannte das; wenn die Jungs sternhagelvoll waren, wollten sie alle irgend jemanden erschießen oder aufhängen oder vierteilen. Gut, daß sie in diesen Momenten nicht dazu in der Lage waren. Später legte sich das dann schon wieder.

September 1982
    Gina beschloß, John von seiner Kanzlei abzuholen. Es war ein warmer Septemberabend, der Wind brachte einen würzigen Duft mit, den herben Geruch von Salbei.
    Wie schön dieses Land ist, dachte Gina, während sie zu ihrem Auto ging. Sie hatte diesen Gedanken oft, jeden Tag beinahe, und sie wußte, sie würde nie aufhören, dankbar dafür zu sein, daß sie hier leben durfte.
    Ihr Gesicht spiegelte sich in den Fensterscheiben des Autos, als sie die Tür aufschloß. Glück macht schön, hieß es, und inzwischen war Gina überzeugt, daß es stimmte. Seidiges Haar, leuchtende Augen, eine klare, gesunde Haut — manchmal hätte sie ihr eigenes Bild am liebsten umarmt.
    Sie hatte sich besonders hübsch gemacht heute, trug ihr neues dunkelgrünes Kostüm und um den Hals einen langen Seidenschal in leuchtenden Herbstfarben. Sie hatte Lust, mit John in irgendeiner Bar einen Drink zu nehmen und danach in einem schönen Restaurant zu essen. Zum erstenmal seit langer Zeit hatten sie einen Abend für sich, ohne Gäste und ohne selbst irgendwo eingeladen zu sein. Nachher würde sie ihm daheim sein geliebtes Popcorn machen — sie hatte extra Mais gekauft —, und dann gab es einen Western mit Gregory Peck. John hatte eine Leidenschaft für Western.
    »Nein, Lord, du kannst jetzt nicht mit, aber wenn wir nachher fernsehen, darfst du dich zwischen uns legen.« Sie stieg ins Auto und fuhr die Auffahrt entlang. Als sie auf die Straße bog, überlegte sie, ob sie John gestern sehr verletzt hatte. Sie waren auf einer Party in Santa Monica gewesen — ein Freund von John hatte Geburtstag —, und als sie um Mitternacht alle im Garten standen, um dem Feuerwerk zuzusehen, das unvermeidlicherweise den
Höhepunkt des Festes bildete, nahm John Gina in die Arme und fragte leise: »Könntest du dich nicht entschließen, mich jetzt zu heiraten?«
    Im ersten Moment fand sie es unfair, daß er die romantische Stimmung ausnutzte, aber dann sagte sie sich, daß Heiratsanträge meistens in romantischen Situationen gemacht werden. Es wäre so leicht, so schön gewesen, einfach ja zu sagen. Sich an ihn zu schmiegen, in den buntblitzenden Nachthimmel zu blicken und von der Zukunft zu träumen. Warum tat sie es nicht? Warum wich sie immer noch aus? Verhielt sich so, daß er ihr Zögern spüren mußte?
    Ich liebe ihn doch, dachte sie, während sie an den stillen Villen und Gärten vorüberfuhr, und ich kann mir eine Zukunft ohne ihn nicht vorstellen. Aber nie konnte sie das leise Unbehagen, die undeutliche Furcht in sich zum Schweigen bringen. Wann hatte sie zum ersten Mal so empfunden? Damals, als David sie hier in Beverly Hills besuchte und ihr lächelnd erzählte, er habe sie beobachtet mit Natalie, in jenem Sommer in

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