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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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können, wir hatten zuviel Grauen, zuviel
Furchtbares gesehen... keiner von uns würde als der nach Hause zurückkehren, als der er von dort aufgebrochen war. Auch die körperlichen Strapazen hatten uns zugesetzt... die Moral sinkt, wenn man Hunger und Durst hat, von Moskitos zerstochen ist und der Himmel einer glühendheißen Kupferplatte gleicht, der man nicht entkommen kann. Es war heiß, so verflucht heiß, und wir schleppten uns durch den Dschungel, wir konnten das Fieber, die Fäulnis förmlich riechen, wir atmeten sie, und wir fühlten uns bereits krank und am Ende unserer Kräfte. Wir — das waren fünf Männer, Gipsy und ich. Ein Kundschaftergang, Routine im Grunde, aber gefährlicher als sonst, denn wir hatten nur noch zwei Gewehre, und die neuen Waffen, die am Morgen hätten eintreffen sollen, waren nicht gekommen. Unser Kompanieführer hatte uns trotzdem losgeschickt. Ich hatte das eine Gewehr und ging an der Spitze des Zuges, Gipsy hatte das andere und ging am Ende. Wir führten säbelartige Messer mit uns, mit denen wir den Weg freikämpften. Riesenfarne, Schlingpflanzen, Baumstämme... uns lief der Schweiß in Strömen am Körper herunter. Gerade sagte einer —ich glaube, Fred war es, dieser ellenlange Kerl, der so furchtbares Heimweh nach Alabama hatte — also Fred sagte, er würde gern mal einen Moment verschnaufen, und die Idee fanden alle gut. Im gleichen Moment krachten rechts und links Schüsse. Wir waren in einen Hinterhalt der Vietkong geraten, und plötzlich kamen sie von allen Seiten. Sie waren weit in der Überzahl, ich schätze, gegen uns sieben standen etwa dreißig.«
    John schwieg einen Moment; er blickte über die Jahre zurück, zu einem heißen Nachmittag, jenseits des Pazific, zu einem Drama, das sich unter dem undurchdringlichen, grünen Dach des Dschungels abgespielt hatte.
    Gina nahm einen Schluck von ihrem Wein. John schaute sie an. »Wir hatten im Grunde keine Chance. Das heißt, Gipsy und ich hatten eine winzigkleine, denn wir hatten die Gewehre. Die anderen kämpften mit Messern und bloßen Fäusten, und es war nur eine Frage der Zeit, wann sie alle tot im Gestrüpp liegen würden. Gipsy und ich schossen uns den Weg frei, es war reines
Glück, das keine der umherfliegenden Kugeln uns traf, und dann ...« Er brach ab.
    Gina sagte: »Und dann habt ihr euch aus dem Staub gemacht.«
    John zuckte zusammen. »Ja. Während unsere Kameraden niedergemetzelt wurden, suchten Gipsy und ich unseren Weg zum Lager zurück.«
    Ein Kellner wechselte diskret die Aschenbecher aus.
    Gina fragte: »Hätte es denn etwas geändert, wenn ihr geblieben wäret, du und Gipsy?«
    »Geändert? Nun, ich säße heute mit Sicherheit nicht hier. Und Gipsy nicht in New York. Wir wären im Urwald vermodert wie die anderen. Wir hätten unsere Gegner weder in die Flucht schlagen noch uns länger als fünf Minuten halten können. Mit Sicherheit nicht.«
    »Also seid ihr nicht schuld am Tod eurer Kameraden. Warum hättet ihr aus Freundschaft mit ihnen sterben sollen? Wem wäre damit gedient gewesen?«
    »Niemandem, natürlich nicht. Aber ich will dir nichts vormachen: Ich bin um mein nacktes Leben gerannt, und ich habe in diesen Momenten nicht allzuviel darüber nachgedacht, ob ich den anderen noch helfen kann oder nicht. Und dann haben Gipsy und ich dummerweise beschlossen ...« Er hörte auf zu sprechen, denn soeben wurde die dampfende Suppe serviert. Als der Kellner gegangen war, fuhr John fort: »Also, wir beschlossen, die Geschichte zu tarnen, um keine unangenehmen Fragen des Kompanieführers beantworten zu müssen. Wir wollten behaupten, daß zwei unserer Kameraden Gewehre trugen und von den Vietkong sofort erschossen wurden, so daß die Waffen in die Hände der Feinde fielen. Wir entkamen als einzige Überlebende nach heftigem Kampf... nun, genauso erzählten wir es auch. Wir vergruben die Gewehre tief unter den Zweigen eines Farns, dann liefen wir ins Lager zurück. Niemand zweifelte daran, daß wir die Wahrheit sagten. Gipsy und ich schworen uns, daß diese Geschichte unser Geheimnis bleiben würde, und so ruhte es in der Versenkung... bis jetzt...«

    Draußen war die Sonne im Meer versunken.
    Johns Gesicht sah sehr verstört aus. Sacht berührte Gina seinen Arm. »Wenn es dich quält, weiterzusprechen, dann...«
    »Nein, im Gegenteil, es tut mir gut. Du bist der erste Mensch, mit dem ich darüber reden kann.«
    »Du sagst, Gipsy ist an dem Krieg zerbrochen.«
    »Er kehrte nach Amerika zurück und fing

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