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Schattenspiel

Schattenspiel

Titel: Schattenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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St. Brevin. Sie hatte an eine Schlange im Paradies gedacht, wie sie dagestanden hatte in ihrem herrlichen, blühenden Garten, und vor ihr David, den sie plötzlich als Gefahr empfand. Eine unwägbare, heimliche, im Verborgenen lauernde Gefahr. Eine Schlange, die ruhig im Gras liegt und plötzlich auf ihr Opfer zuschießt. David könnte so viel zerstören in ihrem Leben. Und ständig mußte sie sich gegen die dumpfe Ahnung wehren, daß er es tatsächlich tun würde. Sie nannte sich selber überspannt, verrückt, hysterisch, aber sie wurde mit der Angst nicht fertig, die sie erfüllte.
    Zum Teufel mit den Vorahnungen! Sie hatte sie immer gehabt, schon als kleines Kind. Großmutter Loret hatte ihr erzählt, sie sei unruhig gewesen in den Wochen, bevor ihre Eltern starben, habe jede Nacht bei ihnen im Bett geschlafen und sie ständig um sich haben wollen. »Geht nicht fort von mir, Mum und Dad...«
    Geh nicht fort, John! Sie trat heftig auf die Bremse, weil plötzlich ein Hase auf die Fahrbahn gehoppelt kam. Das Auto stand
sofort, Gina hing in den Gurten. »Mistvieh«, murmelte sie. Der Hase verschwand auf der anderen Seite zwischen den Büschen. Gina fuhr weiter.
    Ich denke nicht mehr darüber nach, sagte sie sich.
    John hatte sein Büro im Penthouse eines Hochhauses mitten in Century City. Im Lift nach oben zog Gina noch einmal ihre Lippen nach und fuhr sich mit dem Kamm durch die Haare. Sie lächelte, freute sich auf den Abend. Der Lift hielt im 18. Stock und Gina stieg aus. Zum Penthouse ging es noch ein paar Stufen hinauf. Als sie das Vorzimmer betrat, stellte sie fest, daß Carol, Johns Sekretärin, schon gegangen war. Das rote Signallämpchen am Telefon auf ihrem Schreibtisch leuchtete, was bedeutete, daß John telefonierte. Gina zögerte. Besser, sie wartete einen Moment; John haßte es, bei wichtigen Gesprächen gestört zu werden. Sie setzte sich in einen der großen Besuchersessel, zündete sich eine Zigarette an und wartete.
    Die Tür zu Johns Büro stand einen Spalt offen. Er hatte wohl die ganze Zeit dem anderen Gesprächsteilnehmer gelauscht, denn Gina hatte bisher keinen Laut von ihm gehört. Jetzt erklang seine Stimme, erregt und gedämpft. »Du bist wahnsinnig, Gipsy!«
    Gipsy, dachte Gina, Zigeuner. Was für ein eigenartiger Name!
    »Und ich werde mir diesen Wahnsinn nicht länger anhören. Ich habe dir im Laufe der letzten zwei Jahre mehr Geld gegeben, als du normalerweise in deinem ganzen Leben verdient hättest!«
    Ein paar Sekunden lang herrschte Schweigen. Dann wieder John: »Eine Million Dollar! Glaubst du, die kann ich aus dem Boden stampfen? Du warst schon immer verrückt, Gipsy, aber so verrückt wie jetzt noch nie. Ich kann das nur auf deine Krankheit schieben.«
    Gina runzelte die Stirn. Die Asche ihrer Zigarette fiel auf den Teppich, aber sie merkte es nicht. Was redete John da?
    Wieder schwieg er eine ganze Weile, und als er dann sprach, klang seine Stimme vernünftig und ruhig. »Und wenn du damit an die Öffentlichkeit gingest? Glaubst du nicht, ich könnte jedem erklären, wie das damals gelaufen ist? Vietnam war eine Ausnahmesituation,
für jeden von uns. Und die Leute wissen das auch!«
    Gina stand auf. Sie starrte zu dem Telefonapparat auf Carols Schreibtisch. Ob sie von dort das Gespräch vollständig mithören könnte? Wie magisch angezogen ging sie auf den Apparat zu. Leise, lautlos nahm sie den Hörer ab. Zögernd drückte sie die Durchstelltaste zu Johns Apparat. Sie war im Gespräch!
    Die Stimme dieses Gipsy klang häßlich. Röhrend, röchelnd beinahe. Jeder Atemzug kam mit einem lauten Rasseln.
    »Wenn du es riskieren willst, John, bitte, tu es. Ich werde mich an irgendeine kalifornische Zeitung wenden, und ich bin absolut sicher, die werden mir meine Story geradezu aus den Händen reißen. Das Volk liebt es, von den Vietnam-Abenteuern seiner Politiker zu hören!« Er lachte, laut und anhaltend, und bezahlte das gleich darauf mit einem heftigen Hustenanfall. Als er wieder sprechen konnte, fuhr er fort: »Es ist ja auch alles zu schön, nicht wahr? Der Anwalt John Eastley verhilft dem Volk zu seinem Recht. Der künftige Gouverneur Eastley verspricht, sich für die Belange derer einzusetzen, die ein nicht allzu großes Stück vom Kuchen des amerikanischen Traums abbekommen haben. Und als junger Mann hat dieser Eastley auch noch mit Tausenden von anderen amerikanischen Jungs für sein Land gekämpft, im grünen Dschungel von Vietnam. Wenn da nur nicht diese eine kleine,

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