Schattenspieler (German Edition)
Uniform, sondern in einem eleganten Zweireiher, in
dem er kaum wiederzuerkennen war. Und auch sein Gesicht
war nicht mehr das des gemütlichen Spaßvogels. Seine Augen
blickten sie eiskalt an.
»Sparen wir uns doch den Umweg über euren Freund Wilhelm.«
Leos Gedanken begannen wieder zu rasen, wie vor drei
Monaten in dem Schloss. Sie saßen in der Falle, aber diesmal
war die Situation völlig aussichtslos. Hinter den Kisten endete
der Gang, ohne Schlupfloch, ohne doppelten Boden. Einen
Augenblick lang spielte er mit dem Gedanken, sich auf den
Engländer zu stürzen. Aber dessen entschlossene Miene ließ
keinen Zweifel daran, dass er sofort schießen würde.
Parks trat zwei Schritte zurück und machte eine scheuchende
Bewegung mit der Pistole.
»Abmarsch!«, befahl er knapp. Als sie sich an ihm vorbeidrückten,
dachte Leo wieder kurz daran, Parks in den Arm zu
fallen. Der aber schien genau das zu ahnen.
»Versucht das gar nicht erst«, zischte er.
Sie trotteten im Licht der Glühlampen zurück zum Ausgang.
Hinter sich hörten sie die Schritte des Majors.
»Scheiße«, raunte Friedrich.
Draußen war es zuerst so dunkel, dass Leo kaum mehr sehen
konnte als den Schatten, der sich breitbeinig vor der Treppe
zum Hof aufgebaut hatte und durch das schwache Mondlicht
hinter ihm noch bedrohlicher wirkte. Dann erkannte er Sommerbier.
Er hatte ebenfalls eine Pistole in der Hand.
»Sieh an«, sagte der Schatten. »Unsere beiden Schlaumeier.«
»Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum«, sagte
Parks hinter ihnen.
»Nicht hier.« Es klang scharf. »Keine Knallerei, bevor die
Arbeit erledigt ist. Und ich will nicht, dass hier schon wieder
Leichen herumliegen, wenn gleich die Träger anrücken.
Nachher stellt noch einer dumme Fragen. Für das bisschen
Schwarzmarktware bringt man doch keinen um.« Sommerbier
blickte auf die Uhr. »Die anderen müssten gleich hier
sein.«
Parks brummte etwas. Dann spürte Leo den Lauf der Pistole
im Rücken.
Sie setzten sich in Bewegung. Bis auf ihre Schritte auf dem
Hof war es wieder totenstill.
An der Mauer lehnten immer noch ihre Fahrräder. Die hätten
wir verstecken müssen, dachte Leo. Aber das hätte wahrscheinlich
auch nichts geändert.
Vor der Einfahrt parkte ein Jeep. Während Parks hinter
ihnen blieb, ging Sommerbier zum Auto, kramte eine Zeit
lang hinter den Vordersitzen herum und holte schließlich
etwas hervor, das wie ein Kabelknäuel aussah.
»Auf den Boden legen!«, befahl er. Als er nicht sofort gehorchte,
gab Parks Leo von hinten einen so schmerzhaften
Stoß mit der Waffe in die Wirbelsäule, dass er eine Sekunde
lang glaubte, der Engländer habe geschossen. Dann ging er in
die Knie und wurde mit einem Tritt auf den Bauch befördert.
Neben sich hörte er Friedrich aufstöhnen und fallen.
Parks kniete jetzt über ihm, fummelte kurz mit etwas herum,
riss dann seine Arme nach hinten und band sie zusammen.
Es war tatsächlich ein Kabel. Als Nächstes wurden die Füße
gefesselt. Mit einem Seitenblick sah er, dass Sommerbier mit
groben Handgriffen auch Friedrich verschnürte.
Dann hörte er, wie Stoff zerrissen wurde. Parks legte ihm
eine Binde um die Augen und knotete sie am Hinterkopf zusammen.
Als Letztes stopfte er ihm einen Lappen in den Mund
und verschnürte ihn wieder mit einem Kabel. Danach wurde
Leo unsanft hochgehoben, ein paar Schritte mehr geschleift als
getragen und schließlich auf ein Polster geworfen. Das musste
die Rückbank des Jeeps sein. Ein paar Sekunden später war
wieder ein Scharren und Keuchen zu hören. Friedrichs Körper
schlug neben ihm auf den Sitz. Zwei Stimmen tuschelten
miteinander, dann entfernten sie sich. Wieder trat Stille ein.
Friedrich versuchte offenbar, etwas zu sagen, brachte aber
nur einen dumpfen Laut hervor. Leo antwortete mit einem
Stöhnen. Die Fesseln schnitten tief in seine Haut ein, und die
Stelle am Rücken, an der Parks ihn mit der Waffe erwischt
hatte, brannte wie Feuer. Er fühlte, wie seine Hände abzusterben
begannen, und versuchte verzweifelt, sich in eine bequemere
Lage zu bringen.
Leos Herz hämmerte wie verrückt in seiner Brust. Sie würden
sie töten, keine Frage. Nicht hier , hatte Sommerbier gesagt.
Also brachten sie sie wahrscheinlich nach getaner Arbeit
irgendwohin, erschossen sie und versenkten sie in einem See.
Oder versenkten sie im See, ohne sie zu erschießen, wenn
sie nicht schon vorher an ihren Knebeln erstickt waren. Leo
bekam auch so schon kaum noch Luft. Und wie lange konnte
man es
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