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Schattenspieler (German Edition)

Schattenspieler (German Edition)

Titel: Schattenspieler (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Michael Römling
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leise.
»Wenn ein Auto vor der Tür parkt oder sich irgendwas Verdächtiges
auf dem Gelände tut, verschwinden wir schnell und
holen Verstärkung. Einer von uns kann ja Schmiere stehen,
während der andere reingeht.«
    Er schien nicht der Ansicht zu sein, dass es da noch etwas
zu diskutieren gab.
    »Was ist?«, flüsterte er, während er sich das Hemd zuknöpfte.
    Leo nickte, schlich sich wieder in sein Zimmer und zog sich
ebenfalls an. In seinem Kopf trugen Furcht und Neugier einen
erbitterten Kampf aus.
    Keine Minute später stahlen sie sich hintereinander die
Treppe hinab, schlüpften durch die Haustür und umrundeten
die Villa, um die Fahrräder von Friedrich und seiner Mutter
zu holen.
    Während sie durch das nächtliche Charlottenburg sausten,
schlug Leos Herz immer schneller. Alles war still, das Knacken
der Pedale, das Surren der Ketten und das gelegentliche Klappern
der Schutzbleche bei Unebenheiten waren die einzigen
Geräusche. Leo hatte das Gefühl, dass ganz Berlin sie hören
konnte.
    Auf den Straßen war niemand unterwegs, nur ein weißer
Halbmond stand am Himmel. Die kühle Luft tat gut, dennoch
spürte Leo, wie ihm der Schweiß aus allen Poren trat. Er
versuchte, nicht daran zu denken, wie tollkühn ihr Vorhaben
war.
    Vor der Einmündung in die Straße mit der Möbelfabrik
stiegen sie ab. Ohne das Schnarren der Fahrradketten war
es jetzt plötzlich wirklich totenstill. Die Silhouetten der zerstörten
Werksgebäude zeichneten sich gegen den Himmel
ab. Sterne funkelten und der Mond spiegelte sich in einem
Löschteich auf dem Grundstück gegenüber.
    Leo spähte die Straße hinab. Die Einfahrt zur Möbelfabrik
lag vielleicht dreihundert Meter entfernt. Kein Auto.
    Sie stiegen wieder auf und radelten die Straße hinab an der
Mauer entlang bis zum Tor. Jedes Geräusch der Räder trieb
Leos Herz wieder an wie ein Peitschenhieb. Doch es schien
tatsächlich weit und breit keine Menschenseele unterwegs zu
sein.
    Sie schoben die Fahrräder durch die Einfahrt und lehnten
sie an die Rückseite der Mauer.
    Friedrich blickte ihn an. Seine Augen glänzten im schwachen
Mondlicht. »Wie stellen wir es an? Einer geht rein, der
andere steht Schmiere am Tor?«
    Leo nickte, doch dann spürte er einen völlig überraschenden
Anflug von Kühnheit in sich aufwallen. Für Friedrich
war die Sache abgemacht, weil er in ihrer Freundschaft immer
derjenige war, der die Initiative ergriff. Das stimmte zwar, und
auch jetzt war er wahrscheinlich sogar überzeugt, Leo einen
Gefallen zu tun, indem er ihm den Stollen ersparte. Und dennoch
regte sich ein rebellisches Gefühl. Friedrich hatte schon
recht, wenn er sagte, dass es eher Leos Entdeckung war, der
sie hier auf den Grund gingen.
    »In fünf Minuten bin ich wieder hier«, versprach Friedrich
flüsternd. Dann entfernte er sich leise in Richtung Verwaltungsgebäude,
an dessen Rückseite der Eingang zum Tunnel
lag.
    Leo ging zum Tor zurück und warf einen Blick hinaus auf
die Straße. Nichts tat sich dort.
    »Scheiße«, murmelte er, dann setzte er sich in Bewegung
und folgte seinem Freund, der gerade um die Ecke des Backsteinbaus
bog.
    Friedrich drehte sich um und lächelte. Als Leo zu ihm aufgeschlossen
hatte, gab er ihm einen Klaps auf die Schulter und
zog ihn mit sich.
    Der Eingang zum Stollen lag da wie immer. Nichts deutete
darauf hin, dass zwischenzeitlich jemand hier gewesen war.
    Sie stiegen die Treppe hinab in die Dunkelheit. Leo tastete
nach dem Schalter und die Glühbirnen flammten auf. Er hatte
das Gefühl, dass das Licht in diesem Augenblick die ganze
Stadt auf sie aufmerksam machte. Vor ihnen gähnte die erste
Biegung des Ganges. Leos Herz hämmerte und hämmerte,
während sie vorwärtsschlichen.
    Zweiter Knick. Alles war wie beim letzten Mal. Dritter
Knick. Vierter. Fünfter.
    Dann der letzte. Leo fühlte, wie die Gänsehaut seinen Körper
überzog, als stünde er unter Strom.
    Und dann sahen sie, dass Leo recht gehabt hatte.
    Die Leichen hatte man tatsächlich abtransportiert. Die
künstliche Stirnwand war bis auf ein paar Reste an den Seiten
vollständig weggeschlagen worden. Die quadratische Kammer,
in der die Toten gelegen hatten, war leer und deutlich als
natürlicher Teil des Ganges zu erkennen. Zwei dunkle Flecken
zeichneten sich auf dem Boden ab. Schutt und zerbrochene
Ziegelsteine lagen unordentlich verteilt auf dem betonierten
Boden herum. Dahinter bot sich das gleiche Bild wie beim
ersten Mal. Diesmal erkannte Leo aber sofort, dass der Stollen
auch hier

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