Schattenspur
mutterseelenallein und verlassen zu sein und sich selbst zu verlieren. Der Mann war zu keinem klaren Gedanken fähig, g e schweige denn, dass er in der Lage gewesen wäre, zu sprechen. Eins war s i cher: Rupert Solomon würde für den Rest seines Lebens nie wieder Dunke l heit ertragen und nur noch bei eingeschaltetem Licht schlafen können.
Wayne versuchte aus seinen wirren Gedankenfetzen herauszufiltern, was in der Zeit seines zombieartigen Zustandes mit ihm geschehen war. Wo er sich aufgehalten hatte. Er bekam nur flüchtige Bilder von einem engen Gefängnis, in dem absolute Finsternis herrschte. In dem er nichts anderes wahrgeno m men hatte. Seine Fantasie hatte die Dunkelheit dieses Gefängnisses jedoch mit Leben gefüllt, das unglücklicherweise den Monstren seiner Kindheit en t sprach. Kein Wunder, denn er hatte sich in der Situation wie ein hil f loses Kind gefühlt, ohnmächtig und zu klein und schwach, um sich gegen solche Monstren zu wehren.
Mit einem Mal begriff Wayne, wie sehr das zutraf, was Professor Sullivan nicht nur den paranormal begabten Agents beizubringen versucht hatte: dass die einzige Hölle, mit der sie zu ihren Lebzeiten konfrontiert werden würden, nur in ihren Köpfen existierte. In ihren Einstellungen, ihren Erfahrungen und Erlebnissen als Kinder, Jugendliche und Erwachsene und vor allem aus ihren Ängsten geboren wurde. Bei Gott, er konnte nur hoffen, dass Travis’ Hölle harmloser war als die von Solomon. Und dass er durch die Ausbildung zum DOC-Agent stabil genug war, um dieses furchtbare Erlebnis einigermaßen zu überstehen.
Da Dr. Singer ihn beobachtete, bewegte er einen Finger vor Solomons A u gen hin und her; mit dem Ergebnis, dass der Mann zurückzuckte und wi m merte. Er reagierte auch nicht auf erneute Ansprache. Wayne stand auf, bevor die Ärztin ihn ermahnen konnte, dass es nun wirklich genug sei, und stellte den Stuhl zurück an seinen Platz. Seine Hoffnung, dass Solomon ihm Au f schluss geben könnte, wo sich Durant aufhielt, hatte sich nicht erfüllt. Was ihn dermaßen frustrierte, dass er die Wände hätte hochgehen können.
„Danke, Dr. Singer.“
Sie nickte ihm nur zu und kümmerte sich um Solomon, den sie erneut s e dierte. Wayne ging ins Nebenzimmer, in dem Travis untergebracht war. De s sen Zustand hatte sich nicht verändert. Er saß immer noch regungslos im Bett, starrte ins Leere, und sein Geist war so leer wie vorher.
Er musste Kia finden. Denn wo sie war, war auch Durant, der Travis’ Seele in seiner Gewalt hatte. Dass Kia noch lebte, stand außer Zweifel, weil nach Sams Erläuterungen über die Nebenwirkungen eines Seelenbundes Wayne auf übelste Weise gespürt hätte, wenn sie tot wäre.
Er würde sich ins Hotelzimmer zurückziehen und mit all seinen Kräften nach Kia suchen. Sollte ihm das nicht gelingen, würde er Sam einspannen. Sie fand jeden; wirklich jeden, und das meistens innerhalb von Sekunden. Und sollte sie nicht erreichbar sein, würde er anderweitig Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um Kia zu finden. Aber finden würde er sie.
Er verließ das Krankenhaus und lieferte Officer Samuels bei dessen Diens t stelle ab mit dem Auftrag, zu ermitteln, wer in letzter Zeit von Alma Renard einen Ouanga-Beutel erhalten hatte, da diese Leute Durants bevorzugte O p fer waren. Damit war Samuels beschäftigt, und Chief Hanson bekam den Eindruck, dass Wayne und das Savannah Field Office nicht untätig waren. Collins und sein Team hatten noch genug damit zu tun, die Aufzeichnungen der Überwachungskameras auszuwerten und darauf Durant zu finden. Hatte man ihn einmal gesichtet, konnte man seinen Bewegungen folgen und vie l leicht herausfinden, in welcher Gegend man nach ihm suchen musste. Dass das Hauptquartier das ebenfalls erfolglos versucht hatte, tat nichts zur Sache. Menschen übersahen manchmal Dinge, und Leute, die hier in der Stadt le b ten, kannten sich besser aus als die DOC-Agents im fernen New York.
Leider war Durant alles andere als dumm. Er hatte bei seiner Ankunft in Savannah natürlich die Kameras bemerkt und sich garantiert irgendwo am Stadtrand einquartiert, wo es keine gab oder wo sie nicht zahlreich genug für eine lückenlose Überwachung waren. Deshalb war Waynes Verbindung zu Kia die einzige Möglichkeit, ihn zu finden.
Bevor er ins Hotel zurückkehrte, besorgte er sich einen sterilen Probenbe u tel, füllte etwas von dem schwarzen Salz hinein, das Lavender Haskell ihm gegeben hatte, und schickte es per Kurier zu O’Hara.
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