Schattenspur
verschlossen worden war. Wahrscheinlich hatte in der Aufregung, die die Aktion verursacht hatte, niemand daran gedacht.
Kia schaltete die Mini-Taschenlampe ein, die Tante Lavender als Anhänger am Autoschlüssel angebracht hatte. Kia hatte, bevor sie die alte Frau verla s sen hatte, überprüft, ob die Lampe funktionierte. Der schmale Lichtfinger gab genug Helligkeit, dass sie gut sehen konnte, aber nicht genug, dass es jemandem auffiel, der draußen am Haus vorbeiging. Außerdem besaß der Flur, in dem sie den Stab verloren hatte, kein Fenster, das zur Str a ßenseite hinausging. Da die Wohnzimmertür geschlossen war, hätte sowieso niemand das Licht von draußen sehen können.
Kia kniete sich vor die Kommode, beugte sich vor und leuchtete darunter. Erleichtert sah sie, dass der Stab noch da war. Er war bis ganz an die Wand gerutscht. Sie legte sich flach auf den Boden, schob den Arm unter den Tisch und angelte den Stab hervor. Noch erleichterter als vorher sah sie, dass er wie durch ein Wunder unversehrt geblieben war; sah man von einem abgesplitte r ten Stück Knochen ab, das am Hinterkopf des Schlangenschädels fehlte. Aber das fiel nicht ins Gewicht und würde die Wirkung des Stabes nicht b e einträchtigen. Das Wichtigste war, dass die Fangzähne heil geblieben waren.
Kia verließ das Haus und kehrte zum Wagen zurück. Sie fuhr die Greenwood Street hinunter zum Savannah Golf Club, der nur eine halbe Meile entfernt war, und parkte den Wagen auf dem Seitenstreifen der Z u fahrtsstr a ße. Da um diese Zeit niemand zum Golfspielen kam, konnte sie hier eine Weile stehen, ohne Gefahr zu laufen, dass jemand an die Scheibe klopfte und sie fragte, was sie hier zu suchen hatte oder ob sie Hilfe brauchte.
Louis zu finden, würde eine Weile dauern. Sie verriegelte die Tür von i n nen für den Fall, dass doch jemand unerwartet vorbeikäme. Anschließend atmete sie ein paar Mal tief durch und sammelte ihren Mut. Um Louis zu finden, musste sie seinen finsteren Geist berühren. Allein der Gedanke daran veru r sachte ihr Übelkeit. Sie wünschte sich, Wayne wäre an ihrer Seite. Mit ihm, der ihr Kraft und Halt gab, wäre es viel leichter. Wäre überhaupt alles viel leichter.
Aber sie durfte ihn nicht mit reinziehen. Er steckte in seiner Eigenschaft als FBI-Agent ohnehin schon zu tief in der Sache drin. Trotz seiner Fähigkeiten als Bundesagent, seiner Gabe und seiner inneren Stärke war er Louis nicht gewachsen, weil er nicht wusste, wozu der Bokor fähig war; besonders wenn die Petro durch ihn wirkten. Die Gefahr, dass Louis ihn tötete, war einfach zu groß. Außerdem war Louis ihre Verantwortung. Nicht nur, weil er ihr Vater war, sondern weil sie gerade deswegen überhaupt eine Chance gegen ihn hatte. Wenn sie es klug anfing.
Sie öffnete ihren Geist und suchte nach dem dunklen Fleck, der nur von Louis stammen konnte. Da er sein ruchloses Tun kaum inmitten der Stadt praktizieren konnte, weil das aufgefallen wäre, musste er sich irgendwo in den dünn besiedelten Gebieten aufhalten, wo er tun konnte, was er wollte, ohne dass Nachbarn aufmerksam wurden.
Sie erschrak, als sie die Finsternis fand, die gierig nach ihr schnappte, und feststellte, dass Louis keine zwei Meilen entfernt war. Sein schwarzer Geist griff nach ihr, was ihr zeigte, dass er ebenfalls gezielt nach ihr suchte. Kia verschloss sich hastig vor ihm und hoffte, dass Louis durch diesen Kontakt nicht zu viel mitbekommen hatte von dem, was sie plante. Eigentlich war die Berührung recht kurz gewesen. Nachdem sie aber durch ihre Erfa h rung mit Wayne wusste, dass manchmal ein flüchtiger Kontakt genügte, um wichtige Informationen zu übermitteln, war sie sich nicht sicher, was er von ihr erfa h ren hatte.
Bevor sie bei ihm ankam, sollte sie sich besser einen Plan B überlegt haben. Sie startete den Wagen und fuhr zurück auf die East President Street und ostwärts. Nach einer guten Dreiviertelmeile bog sie in die Kemira Road ein, die zu den Industrieanlagen von Kemira Water Chemistry führte. Nach einer weiteren knappen Meile bog sie nach links in die schmale, waldgesäumte Straße ein, die die Kemira mit der Fort Jackson Road verband. Wenige hu n dert Yards weiter führte ein schmaler, ungepflasterter Weg, eher eine Fah r spur, rechts in den Wald hinein. Sie endete nach knapp zweihundert Yards auf einem mit Schotter bestreuten Wendehammer, auf dem das Gras spross. Der schwarze BMW, der dort parkte, bildete einen krassen Gegensatz dazu und auch zu der halb
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