Schattenspur
Aufzeichnungen der Überwachungskameras ansah, die er gestern Abend gesichert hatte. Damit hatte er erst einmal genug zu tun. Er schloss die Festplatte, auf der er sie gespe i chert hatte, an seinen Laptop an und begann mit der Durchsicht.
*
Kia hatte sich von dem Taxi an der Ecke Utah Street/Pennsylvania Avenue absetzen lassen und ging den Rest des Weges zu Fuß. Alles war ruhig und die Fenster der Häuser waren dunkel. Die Leute schliefen. Als sie das Haus e r reichte, neben dem sie Tante Lavenders alten Buick geparkt hatte, stellte sie erleichtert fest, dass er immer noch dort stand. Offenbar hatten die Hausb e wohner ihm keine Beachtung geschenkt. Sie hatte ihn bewusst so geparkt, dass er auf der Grundstücksgrenze und niemandem im Weg stand. So glaubte jeder, auf dessen Grundstück er zur Hälfte stand, dass der Wagen einem B e sucher seines Nachbarn gehörte, und ging selbstverständlich davon aus, dass der am Morgen wieder verschwunden sein würde.
Sie stieg ein, fuhr um den Block zur Greenwood Street und stellte den Buick auf dem Seitenstreifen am Anfang der Straße ab. Zu Fuß n ä herte sie sich dem Haus der Lakers. Auch auf der Greenwood war alles du n kel und ruhig. Sie war sich darüber im Klaren, dass das nicht mehr lange so bleiben würde. Es war vier Uhr morgens. Da standen bald die ersten Beruf s tätigen auf, um zur Arbeit zu gehen. Andere kamen von der Nachtschicht, und die Zeitung s boten würden bald ihre Kunden beliefern. Sie musste sich beeilen.
Erleichtert stellte sie fest, dass die Wagen der Stadtwerke, die vorhin in der Straße gestanden hatten, nicht mehr da waren. Das bestätigte ihren Verdacht, dass sich darin die FBI-Leute verborgen hatten. Sie hätte das mit ihrer Gabe leicht feststellen können; doch die Gefahr, dass Louis davon etwas mitb e kommen hätte, war zu groß. Denn er war hier gewesen – genau in dem M o ment, in dem sie die Falle für ihn vorbereiten wollte.
Sie fühlte sich schuldig, dass es ihm gelungen war, Waynes Freund zu erw i schen. Das hätte nicht passieren dürfen, und wäre nicht passiert, wenn sie schneller gewesen wäre. Vielleicht wäre ihnen Louis dann trotzdem entko m men, aber Waynes Freund besäße seine Seele noch. Sie musste das in Or d nung bringen. Allein. Wenn sie Wayne mitgenommen hätte, hätte seine A n wesenheit sie nur abgelenkt. Schlimmer noch, Louis hätte Wayne als Druc k mittel gegen sie verwenden können. Es genügte schon, dass er die Seele ihrer Großmutter in seiner Gewalt hatte.
Sie huschte zum Haus der Lakers, wobei sie jede Deckung ausnutzte, die ihr die Schatten der Bäume, Sträucher und parkenden Autos boten. Wenn jemand sie gesehen hätte, wie sie geduckt die Straße entlangschlich, er hätte wohl sofort die Cops gerufen. Doch sie erreichte das Haus unbemerkt. Im Schatten der Büsche blieb sie eine Weile stehen und lauschte, ob sie im Haus oder in der N ä he etwas Verdächtiges hören konnte. Sie nahm nichts wahr. Das wollte nichts heißen, denn sie hatte auch Wayne und seinen Freund nicht wahrgenommen und auch nicht Louis, als er gekommen war.
Sie entschied sich, zu riskieren, die Umgebung und vor allem das Innere des Hauses mit ihrer Gabe zu überprüfen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Louis darin oder in der Umgebung auf sie lauerte, war relativ gering. Er hatte b e kommen, was er wollte: eine weitere Seele. Nachdem das FBI ihn hier erwa r tet hatte und er sich denken konnte, dass sie nach ihm suchten, war er gara n tiert nicht mehr in der Nähe. Sie öffnete ihren Geist und stellte erleichtert fest, dass das Haus leer war.
Sie ging zum Kellereingang hinter dem Haus. Die in den Boden eingelass e ne Klapptür war gestern zwar mit einer Kette und einem Vorhängeschloss gesichert gewesen, aber Kia wusste, wie man solche Schlösser knackte. Das hatte Louis ihr beigebracht. Da sie nach seinem Willen den Petro hätte dienen sollen, hatte er sie alles gelehrt, was hilfreich war, um bei seinen Anhängern und erst recht bei den Menschen, die er mit ihnen drangsalierte, den A n schein zu erwecken, dass die Mitglieder des Bizango übermächtig wären und es keinen Schutz vor ihnen gab. Erst recht kein Versteck, in dem man vor ihnen sicher war.
Lautlos in eine Wohnung einzubrechen und darin aufzutauchen, als wäre sie aus dem Nichts gekommen, hatte Louis ihr beigebracht. Deshalb hatte auch niemand sie vorhin bemerkt, als sie durch die Kellertür ins Haus g e kommen war. Sie stellte fest, dass die Tür nicht wieder
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