Schattenspur
würde. Er lächelte. „Ja, du bist meine Tochter. Ohne jeden Zweifel. Dem eigenen Vater die Macht rauben zu wollen, das ist einer künft i gen Mamaloa der Petro würdig.“ Er schlug sie erneut, dass sie wieder hinfiel. „Aber natürlich etwas, das trotzdem Strafe verdient, weil du versagt hast. So wie jeder Strafe erhält, der sich mir widersetzt.“
Er riss sie auf die Beine und schleifte sie in die Hütte. Kia wehrte sich nicht. Nicht nur, weil es keinen Zweck gehabt hätte, sondern auch, weil sie sowieso bleiben musste, wenn sie noch eine Chance bekommen wollte, Louis das Handwerk zu legen.
Das Innere der Hütte passte noch weniger als ihr Äußeres zu dem elega n ten BMW und dem Anzug, den Louis trug. Ein Feldbett, ein Campingtisch, klappbare Campingstühle, auf dem Boden ein Campingkocher, eine Holzkiste mit Lebensmitteln und eine Plastiktonne mit Wasser war die gesamte Einric h tung. Für Kia stand außer Frage, dass er sich in irgendeiner Form an ihr dafür rächen würde, dass er vorübergehend in dieser Bruchbude hausen musste.
Die Pots-de-tête standen in einer Ecke in Reih und Glied. Kia erkannte den, in dem die Seele ihrer Großmutter gefangen war, an dem Armband, das um den Griff des Deckels gewickelt war. Wenn es ihr gelang, die Töpfe zu zerschlagen, kämen die Seelen wieder frei. Doch leider war das nicht so ei n fach, denn Louis hatte sie in eine durchsichtige Box eingeschlossen, die g a rantiert aus Panzerglas bestand; oder irgendeinem anderen Material, das sich nicht so schnell zerstören ließ. Außerdem würde er dafür sorgen, dass Kia nicht lange genug mit ihr allein blieb, um das Schloss knacken zu können. Verdammt!
Louis schleuderte sie in Richtung Feldbett. Obwohl sie versuchte, das Gleichgewicht zu bewahren, schaffte sie es nicht, als er sie losließ. Sie stolpe r te gegen das Bett und fiel darauf. Da es direkt an der Wand stand, stieß sie sich den Kopf. Es tat so weh, dass sie für einen Moment Sterne sah. Sie schnappte nach Luft, biss die Zähne zusammen und stand auf. Er gab ihr einen Stoß vor die Brust, dass sie wieder auf das Bett fiel und sich erneut den Kopf stieß. Sie hatte vergessen, wie brutal er sein konnte. Aber sie hatte zum Glück nicht verlernt, seine Misshandlungen schweigend zu ertragen.
Louis blickte sie eine Weile stumm an, das Gesicht höhnisch verzogen. Kia hielt seinem Blick stand. Nur keine Schwäche zeigen. Nicht nur, weil das dann die nächsten Schläge provoziert hätte, sondern weil sie den Kampf g e gen Louis schon verloren hätte, noch ehe er überhaupt begonnen hatte, wenn sie sich einschüchtern ließ.
„Ich bin hier. Lass die Seelen frei“, wiederholte sie.
Seine Augen glühten auf. Der rote Schimmer in ihnen verstärkte sich. Er lächelte kalt. „Hast du ernsthaft erwartet, dass ich das tue? Dann bist du eine größere Närrin, als ich dachte. Sie haben ihren Zweck erfüllt. Ich brauche sie nicht mehr. Ihre Vernichtung wird meine Kraft stärken.“ Er machte einen Schritt auf die Box mit den Tongefäßen zu.
Kia sprang auf und stellte sich ihm in den Weg. „Wage es nicht!“ Sie blickte ihn kalt an. „Du kennst die Gesetze der Petro. Um ihnen zu dienen, muss ich Ogou abschwören. Aber das werde ich niemals tun, wenn du auch nur eine einzige dieser Seelen vernichtest.“
Er lachte verächtlich. „Du glaubst, du kannst dich mir auf die Dauer wide r setzen, Kianga? Mir, einem Papaloa der Petro?“
Sie blickte ihm furchtlos in die Augen. „Oh ja, Louis. Schon vergessen? Du willst was von mir. Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dir zur Macht über den gesamten Bizango verhelfe, wenn du gegen meinen Willen diese Seelen vernichtest. Und wenn du glaubst, dass du mich gewaltsam brechen kannst, hast du dich getäuscht.“
„Ha!“
Der siegessichere Laut machte ihr ebensolche Angst wie Louis’ böses Gri n sen. Schließlich kannte sie ihn und wusste genau, wozu er fähig war. Sie rec k te das Kinn vor. „Falls es dir wider Erwarten gelingen sollte, schneidest du dir damit ins eigene Fleisch. Ich darf dich daran erinnern, dass ein gebrochener Geist schwach ist. Und die Petro akzeptieren keine Schwächlinge als ihre Priester.“
Damit hatte sie ihn. Louis presst wütend die Lippen zusammen. „Nun gut. Ich lasse sie frei. Aber nicht die alte Vettel. Denn wenn ich die freilasse, hast du keinen Grund mehr, dich den Petro anzugeloben.“
Womit er recht hatte. Aber darauf kam es Kia nicht an. Sie nickte und trat zur Seite. Louis holte
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