Schattenstürmer
gesehen hatten. Daraufhin hatte Ell das Messer wieder weggesteckt, während Miralissa und Alistan Bass einem Verhör unterzogen.
Die Elfin misstraute Schleicher bis zuletzt und argwöhnte, vor ihr stünde ein Verräter, nur ein weiterer Handlanger des Unaussprechlichen oder ein Diener des Herrn. Sie drohte Bass, ihm die Augen auszustechen und alle hervorstehenden Körperteile auf besonders grausame Weise abzuschneiden, sollte er gelogen haben.
Daraufhin hatten sie, Ell, Egrassa und Met, die von Bass genannte Adresse überprüft. Sie konnten sich davon überzeugen, dass es in dem Haus von zwielichtigen Gestalten nur so wimmelte. Irgendwann stieß die Kavallerie in Form der restlichen Einheit hinzu (Ohm passte auf Bass auf und musste sich schonen, da sich seine Wunden trotz Miralissas Zauber nicht schließen wollten). Den Rest der Geschichte kannte ich.
»Danke, Bass.« Es kostete mich Mühe, diese Worte über die Lippen zu bringen. »Wenn du uns nicht geholfen hättest …«
Ich musste den Satz nicht zu Ende führen.
»Schließen wir Frieden?« Er hielt mir seine schmale Hand hin und lächelte zaghaft.
»Ja.« Ich drückte ihm die Hand. »Aber ich muss ein ernstes Wort mit dir reden.« Ich nahm ihm noch immer übel, dass er For und mir nicht gesagt hatte, dass er noch am Leben war.
»Gut. Aber später. Ruh dich erst mal aus.« Bass stand auf und ging zum Tor der Schenke. Wie ein Gespenst tauchte da Ell vor ihm auf. »Wohin willst du, Mensch?«
»Ihr müsst hierbleiben, Meister Bass.« Miralissa baute sich neben Ell auf.
»Warum denn das, bei tausend verreckten Kobolden?!«
Kli-Kli verschluckte sich angesichts dieser Beleidigung an der Mohrrübe und warf Bass einen tadelnden Blick zu.
»Unsere Angelegenheiten in Ranneng verlangen nach strengster Geheimhaltung, und wir dürfen Euch nicht vertrauen, so leid es mir tut. Selbst jetzt nicht, da Ihr uns geholfen habt.«
»Wollt Ihr mich hier einsperren, oder was?« Bass zog die Augenbrauen erstaunt in die Höhe.
»Was heißt einsperren ?«, mischte sich Alistan Markhouse ein. »Bis unsere Einheit die Stadt verlässt, wird es dir an nichts mangeln, das versprechen wir. Essen ist vorhanden, ein Bett wird sich bestimmt auch finden.«
»Und wenn ich nicht damit einverstanden bin?« Bass war schon immer ein Sturkopf gewesen.
Ells Gesicht verzog sich zu einem schiefen Lächeln, das nichts Gutes versprach. »Das würde ich Euch nicht raten, Meister Bass.«
Bass grinste und breitete kapitulierend die Arme aus. »Aber ich darf wohl darauf hoffen, dass ich gehen kann, sobald Ihr Eure Angelegenheiten erledigt habt?«
»Selbstverständlich«, sagte Ell, ohne mit der Wimper zu zucken.
Doch da hatte ich meine Zweifel. Die Elfen sind ein praktisch veranlagtes Volk, es wäre leichter für sie, Bass aus purer Sorge um das Schicksal unserer Mission die Kehle durchzuschneiden, als einen Zeugen ziehen zu lassen. Ich würde mit Miralissa reden müssen, wenn es so weit war, andernfalls würde ihr K’lissang Bass noch auf eine Reise ins Licht schicken.
»Garrett, mein Freund, ich bin froh, dass du am Leben bist!« Hallas umarmte mich (was der kleine Gnom nur schaffte, weil ich noch am Boden saß). »Komm, ich lade dich zu einem Bierchen ein.«
»Gern, mein Freund«, antwortete ich und stand auf.
Während wir zum Eingang der Schenke gingen, dachte ich bekümmert (oder etwa nicht?) darüber nach, wie sehr ich mich, ohne es selbst zu wollen, verändert hatte. Garrett der Schatten, der Meisterdieb, der beste Truhenausräumer in ganz Awendum, der einsame und finstere Kerl, der nie echte Freunde gehabt und seiner Umwelt seine wahren Gefühle nie gezeigt hatte – dieser Garrett war nicht mehr der Alte. Aber ob das Gutes oder Schlechtes zu bedeuten hatte?
Hätte ich vor zwei Monaten irgendjemanden meinen Freund genannt? Niemals! Bis auf meinen Lehrer und zweiten Vater For hatte ich nämlich keine Freunde. Ich hatte noch nicht mal jemanden, mit dem ich ein Bierchen hätte trinken können.
Ein Dieb muss, wenn er ein guter Dieb sein will, allein bleiben. Er darf sich keine Familie zulegen, keine Freunde. Daran hatte ich mich stets gehalten.
Umso erstaunter erkannte ich jetzt, dass ich Deler und Hallas, diese beiden Streithälse, dass ich Kli-Kli, Miralissa, Lämpler und all die anderen inzwischen durchaus als meine Freunde bezeichnen würde.
Während Aal und ich unseren Hunger stillten, berichteten wir allen (mit Ausnahme von Bass, der nach oben geschickt worden war), was
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