Schattenstunde
er harkte weiter, und seine Stimme sank ab, »an dem Tag hatte er recht.
Ich war oberklug, aber ich hab’s freundlich gehalten, weißt du? Rumgealbert. Und als Nächstes holt einer von den Typen ein Springmesser raus. Es ist noch zu, und ich starre das Ding an wie ein Idiot und frage mich, was das ist. Handy? MP 3-Player? Dann, klick, kommt die Klinge raus. Ich habe versucht, einen Abgang zu machen, aber dafür war’s zu spät. Einer tritt mir die Beine weg, und ich lande auf dem Boden. Der Typ mit dem Messer steht über mir, ich bereite eine Rückstoßformel vor, und in dem Moment kommt Derek um die Ecke gerast. Er packt den Typ mit dem Messer, schleudert ihn zur Seite, verpasst dem Zweiten eins mit der Faust, und der Dritte rennt. Der zweite Typ steht auf – alles in Ordnung mit dem – und rennt seinem Kumpel hinterher. Aber der Erste? Der, den Derek von mir weggehauen hat?«
»Steht nicht auf«, flüsterte ich.
Simon spießte mit den Zinken seiner Harke ein Blatt auf. »Derek hat recht gehabt. Keine Schusswaffen. Aber weißt du was?« Er hob den Blick zu meinem Gesicht. »Wenn ein Typ mit einer Schusswaffe auf Derek zukäme, dann würde er den Kopf klar behalten und es irgendwie abbiegen. Aber
er
war’s ja nicht, der in Gefahr war. Ich war’s. Bei Derek ist das was komplett anderes. Es liegt in seiner Natur, sagt mein Dad, der …« Er begann nachdrücklich zu harken und riss Erde und junges Gras mit. »Und das ist also die Geschichte, wie’s passiert ist. Ich musste ja unbedingt ein Klugscheißer sein und konnte bei drei Rassistenschlägern einfach das Maul nicht halten, und jetzt ist Derek …«
Der Satz verklang, und mir war klar, dass Derek nicht der Einzige war, der sich selbst die Schuld für das Geschehene gab.
»Jedenfalls«, sagte Simon nach einer Pause, »du bist ja nicht mit rausgekommen, um darüber zu reden. Und wenn ich weiter ratsche, spürt Derek uns auf. Ich hab nicht den Eindruck, dass du diese Sache mit ihm besprechen willst.«
»Nicht unbedingt.«
Ich erzählte ihm von meiner Unterhaltung mit Rae. »Ich hab nicht gewusst, was ich sagen sollte, und davon ist es noch schlimmer geworden. Sie hat mich vollkommen kalt erwischt. Und jetzt glaubt Derek wahrscheinlich, ich hätte mich irgendwie verplappert oder mit meiner Freundin geklatscht und ihr meine Geheimnisse erzählt – was ich aber nicht getan habe, ich schwör’s.«
»Ich weiß. Das machst du nicht.« Er lehnte sich auf seine Harke. »Rae hat recht mit Brady. Ich hab wirklich eine Rückstoßformel verwendet. Es war unvorsichtig und dumm, aber nach der Sache mit den anderen Typen hab ich einfach schneller sein wollen, verstehst du? Als ich gesehen habe, dass Brady Streit mit Derek sucht, hab ich einfach reagiert.«
»Du wolltest die Lage entschärfen?«
»Yeah. Und wenn Rae euch zwei letzte Nacht beim Reinkommen erwischt hat, dann ist das Dereks Schuld. Er hätte besser aufpassen sollen. Er hat die Ohren und die«, er unterbrach sich kurz, »Augen dafür. Er sieht ziemlich gut im Dunkeln, besser als wir. Normalerweise hätte er Rae bemerken müssen, aber er muss zu sehr mit den Fluchtmöglichkeiten beschäftigt gewesen sein.«
Nein, er war fiebrig und halb krank gewesen, aber das konnte ich nicht aussprechen.
Simon sprach weiter. »Er ist sowieso in ziemlich übler Stimmung. Gereizter als sonst. Er hat unsere Dusche ruiniert, hast du das schon gehört?« Er schüttelte den Kopf. »Den Griff abgebrochen, und ich hab der Talbot erzählen müssen, er wär schon locker gewesen. Aber das mit Rae werden wir ihm sagen müssen.«
»Glaubst du, sie ist eine von uns? Noch eine Paranormale?«
»Könnte eine Halbdämonin sein. Aber wenn sie eine ist, was bedeutet das dann für uns, dafür, dass wir hier sind? Vier von fünfen? Und Liz vielleicht auch, wenn sie wirklich Schamanin ist? Das ist doch kein Zufall. Kann keiner sein.« Er machte eine Pause, um zu überlegen. »Darüber machen wir uns später Gedanken. Im Moment macht es mir mehr zu schaffen, dass sie unsere Pläne kennt.«
»Sie kennt sie nicht nur. Sie will sich anschließen.«
Er fluchte leise.
»Sie könnte sehr nützlich sein«, sagte ich. »Sie kennt sich viel besser aus als ich.«
»Oder ich. Es ist einfach …« Er zuckte mit den Schultern. »Ich bin sicher, Rae ist okay, aber ich hätte keine Einwände dagegen gehabt, wenn’s einfach bei uns beiden geblieben wäre.«
Er sah zu mir herüber. Mein Herz begann zu hämmern.
»Es gibt da eine Menge, über
Weitere Kostenlose Bücher