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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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verschreib Medikamente, und mit ein bisschen Glück geht es irgendwann weg. Dumm nur, dass das, was wir haben, nicht weggeht.«
    Mein Hirn mühte sich, mit all dem Schritt zu halten. Ich wusste, ich sollte irgendwas sagen. Aber was? Zugeben? Abstreiten?
    Rae wälzte sich vom Bett, kam auf die Beine, fasste ihre langen Locken im Nacken zusammen und streckte die Hand aus. Als ich mich nicht von der Stelle rührte, sagte sie: »Haargummis? Hinter dir!«
    »Oh.«
    Ich warf ihr eins zu. Sie machte sich einen Pferdeschwanz und ging zur Tür.
    »Warte«, sagte ich.
    Sie schüttelte den Kopf. »Du musst erst mit den zwei Typen reden.«
    »Ich brauche nicht …«
    Sie drehte sich zu mir um. »Doch, tust du. Solltest du. Oder würdest du wollen, dass sie deine Geheimnisse weitertratschen, bevor sie dich deswegen gefragt haben? Rede mit ihnen und komm hinterher zu mir. Es ist ja nicht so, als ob ich heute abreisen würde oder so.«

37
    I ch frühstückte mit Tori. Ich bin mir sicher, dass sie am Tag zuvor zu sehen gehofft hatte, wie ich auf eine Bahre geschnallt und wirres Zeug faselnd aus dem Haus getragen wurde, weil die Stunden, die ich gefesselt und geknebelt im Dunkel gelegen hatte, mich in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber an diesem Morgen saß sie einfach nur da und aß, den Blick geradeaus gerichtet, das Gesicht ausdruckslos, als habe sie aufgegeben.
    Hätte ich den Ärzten erzählt, was sie getan hatte, wäre sie aus dem Haus entfernt worden, ganz gleich, wie wichtig ihre Mutter sein mochte. Vielleicht hatte sie, als ich ohne zu petzen aus dem Kriechkeller zurückkam, begriffen, wie kurz sie davor war, verlegt zu werden. Vielleicht war ihr klargeworden, dass ihr kleiner Streich tödlich hätte enden können.
    Vielleicht hatte sie sogar ein schlechtes Gewissen. Das war vermutlich zu viel gehofft, aber nach ihrem Gesichtsausdruck an diesem Morgen zu urteilen war die Fehde zwischen uns beigelegt. Sie hatte sich abreagiert und dabei gemerkt, dass sie beinahe einen sehr üblen Fehler gemacht hatte. Und so schwer es mir auch fiel, mich nach dem, was sie mir angetan hatte, in ihrer Nähe aufzuhalten – ich würde ihr nicht den Gefallen tun und es ihr zeigen. Also setzte ich mich an den Tisch und gab mir alle Mühe, so zu essen, als wäre alles in bester Ordnung.
    Jeder Löffel Haferflocken, den ich hinunterzwang, verdichtete sich, sobald er in meinem Magen ankam, zu einem Klumpen Zement. Es war nicht nur, dass ich mit jemandem frühstücken musste, der mich hätte umbringen können, ich musste außerdem entscheiden, was ich im Hinblick auf Rae tun sollte. Wie sollte ich das den beiden Jungen erklären? Derek würde mit Sicherheit wütend auf mich sein.
    Ich war so in Gedanken verloren, dass ich duschte, mich auf den Weg zurück ins Erdgeschoss machte und die fürs Wochenende zuständige Schwester Ms. Abdo von einer »Tür« und einem »neuen Schloss« reden hörte, bevor mir unser Probelauf der vergangenen Nacht wieder einfiel. Waren wir doch noch erwischt worden?
    »Dr. Davidoff möchte einen Schließriegel«, antwortete Mrs. Talbot. »Ich weiß nicht, ob es die für Innentüren gibt, aber wenn Sie in der Eisenwarenhandlung keinen bekommen, rufen wir Rob an und lassen die Tür ersetzen. Nach der Sache gestern will Dr. Davidoff nicht, dass die Kinder noch mal an diesen Kriechkeller rankommen.«
    Die
Keller
tür. Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und ging ganz nach unten. Ich hatte gerade die unterste Stufe erreicht, als Simon den Kopf aus dem Esszimmer streckte.
    »Dachte ich’s mir doch, dass ich dich gehört habe. Fang.« Er warf mir einen Apfel zu. »Ich weiß, du magst die Grünen. Derek hat sie alle gehamstert.« Er winkte mich ins Zimmer. »Setz dich hin und iss mit uns. Du wirst die Energie brauchen. Es ist Samstag, und hier heißt das Hausarbeit. Den ganzen Tag.«
    Als ich an ihm vorbeiging, beugte er sich vor und flüsterte: »Alles okay?«
    Ich nickte. Er schloss die Tür. Ich betrachtete den leeren Tisch.
    »Wie geht’s Derek?«, fragte ich leise zurück.
    »Der ist in der Küche und holt Nachschub. Ich hab gehört, ihr zwei hattet letzte Nacht ein kleines Abenteuer.«
    Derek hatte darauf bestanden, Simon zu erzählen, dass es seine Idee gewesen war, die beiden Zombiegeister zu beschwören. Wenn Simon dann verärgert sein sollte, weil wir ihm nicht Bescheid gesagt hatten, würde Derek seine Wut abbekommen. Ich hatte zunächst gedacht, er versuchte, den Ruhm für sich einzuheimsen, so zu tun,

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