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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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wirklich nicht schaden, wenn man auf der Flucht ist.«
    »Ich wäre lieber dieses zweite Paar Augen, als hier rumzusitzen und drauf zu warten, dass ich gerettet werde«, sagte ich, als er mit zwei Rechen wieder zum Vorschein kam.
    »So wie Derek, meinst du?«
    »Nein, das sollte kein Seitenhieb sein.« Ich schloss die Schuppentür und legte den Riegel vor. »Letzte Nacht hat er mir erzählt, warum er bleiben will. Wegen dem, was er getan hat. Worüber ich schon Bescheid gewusst hatte, weil ich nämlich …«
    »Seine Akte gelesen hatte?«
    »Ich-ich-ich habe …«
    »Informationen gesucht, nachdem er dich im Keller rumgestoßen hatte. Er hatte sich’s schon gedacht. Intelligente Reaktion.« Er zeigte mit einer Handbewegung auf den hintersten Teil des Gartens, wo der Boden mit einem Teppich von verrottendem Laub aus dem Vorjahr bedeckt war. »Lass dich deswegen bloß nicht von ihm tyrannisieren. Er hat deine auch gelesen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Nur fair, nehme ich an.«
    »Er hat deine gelesen,
bevor
du seine gelesen hast. Ich wette, das hat er nicht erwähnt bei deinem Geständnis.«
    »Nein, hat er nicht.«
    Wir begannen das Laub zusammenzuharken. Mindestens eine Minute lang sagte Simon nichts, dann warf er einen Blick in meine Richtung. »Und ich wette, er hat auch nicht erwähnt, wie es überhaupt dazu gekommen ist. Zu der Schlägerei meine ich.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Er hat bloß gesagt, dass der Typ ihn nicht mit einer Schusswaffe bedroht hätte. Er hat nicht weiter drüber geredet.«
    »Es ist letzten Herbst passiert. Wir waren in ein Provinzkaff in der Nähe von Albany gezogen. Nichts gegen Kleinstädte, ich bin sicher, es lebt sich prima dort. Zumindest für manche Leute. Brutstätten des Multikulturalismus sind sie nicht gerade. Aber mein Dad hatte einen Job in Albany gefunden, und das Kaff war der einzige Ort, wo er kurzfristig noch eine Mietwohnung gekriegt hat, bevor das Schuljahr anfing.«
    Er harkte seine Blätter auf den Haufen, den ich gegründet hatte. »Ich hab hinter der Schule rumgehangen und drauf gewartet, dass Derek rauskommt, er hat noch mit dem Mathelehrer gesprochen. Sie haben versucht, irgendeine Sonderregelung für ihn zu finden. Kleine Schule, nicht an Typen wie Derek gewöhnt. Oder Typen wie mich, wie sich herausgestellt hat.«
    Eine Maus huschte unter einer Baumwurzel hervor, und Simon ging in die Hocke, um in das Loch hineinzuspähen und sich zu vergewissern, dass keine weiteren folgen würden, bevor er um die Stelle herum zu rechen begann. »Ich hab ein bisschen Korbwerfen geübt, als diese drei älteren Schüler rübergekommen sind. Alle in Doc Martens und Unterhemden. Sie sind in meine Richtung geschlendert, und ich hab den Ärger kommen sehen. Abhauen wollte ich nicht, aber wenn sie den Basketballkorb gewollt hätten, hätten sie ihn haben können, okay?«
    Ein Windstoß trieb die oberste Schicht Blätter von unserem Haufen auseinander. Simon seufzte, ich sah seine Schultern absacken. Ich gab ihm zu verstehen, dass er, während ich aufräumte, weitererzählen sollte.
    »Bloß dass sie am Basketballspielen natürlich gar nicht interessiert waren. Für mich haben sie sich interessiert. Anscheinend hatte die Mom von einem der Typen im örtlichen Supermarkt gearbeitet, bevor der von einer vietnamesischen Familie übernommen worden war. Und die hatten ihr gekündigt. Das war inzwischen zwar ein Jahr her, aber natürlich konnte ich ja nur ein Angehöriger von denen sein, stimmt’s? Ich hab sie drauf hingewiesen, dass nicht alle Asiaten miteinander verwandt sind – muss für die ein richtiger Schock gewesen sein –, und dass wir auch nicht alle Gemischtwarenläden betreiben.«
    Er hörte auf zu harken. »Als ich gesagt hab, dass ich außerdem kein Vietnamese bin, fragt mich einer von den Typen, was ich denn dann wäre. Ich hab gesagt, Amerikaner, aber irgendwann habe ich ihnen dann geliefert, was sie hören wollten, und gesagt, dass mein Großvater aus Südkorea war. Und klar, da musste sich dann einfach rausstellen, dass der Onkel von einem der Typen im Koreakrieg gefallen war. Wenn der Typ je eine Geschichtsstunde gehabt hat, muss er in der wohl geschlafen haben. Er hat gedacht, Korea hätte Amerika den Krieg erklärt. Also hab ich ihn aufgeklärt. Und yeah, wahrscheinlich habe ich ein bisschen den Klugscheißer gegeben. Mein Dad sagt immer, wenn ich schon nicht lerne, den Mund zu halten, dann sollte ich wenigstens meine Defensivformeln üben. An dem Tag«,

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