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Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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das ich gern reden würde.« Er berührte meinen Handrücken und beugte sich dabei so dicht zu mir rüber, dass ich seinen Atem im Haar spürte.
    »Wie war das mit Rae?«, wollte eine Stimme wissen. Wir drehten uns um und sahen Derek über den Rasen auf uns zukommen.
    Simon fluchte wieder. »Hat dir schon mal einer gesagt, dass dein Timing wirklich das Letzte ist?«
    »Deswegen spiele ich ja auch nicht Schlagzeug. Also, was ist los?«
    Ich erzählte es ihm.

38
    S imon bezweifelte, dass Rae paranormale Kräfte besaß. Es gab auf Feuer spezialisierte Halbdämonen, aber mit fünfzehn hätte sie zu mehr in der Lage sein sollen, als Spuren zu hinterlassen, die mit Mühe und Not als Verbrennungen ersten Grades durchgingen. Er glaubte nicht, dass sie log. Seiner Ansicht nach wollte sie einfach nur zu sehr dran glauben.
    Ich hatte den Verdacht, dass es stimmte. Gleich nach der Geburt zur Adoption freigegeben, von jüngeren Geschwistern verdrängt, zu Fremden nach Lyle House gesteckt und dort vergessen – der Gedanke, etwas Besonderes zu sein, müsste Rae so viel bedeuten. Ich hatte es erst an diesem Morgen in ihrem Gesicht gesehen, sie hatte geglüht vor Aufregung.
    Derjenige, der die Vorstellung am wenigsten von der Hand wies, war Derek. Er sagte nicht, dass er glaubte, Rae sei ein Halbdämon, aber sein Schweigen verriet, dass er die Möglichkeit zumindest erwog. Die Ereignisse der vergangenen Nacht gingen ihm immer noch nach – und mir auch: unsere Unfähigkeit, eine Verbindung zwischen uns, Samuel Lyle und diesen paranormalen Leichen im Keller zu finden oder auszuschließen. Wenn Rae wirklich eine Halbdämonin war und Liz möglicherweise eine Schamanin, dann fiel die Wahrscheinlichkeit, dass wir alle durch puren Zufall hier waren, ins Bodenlose.
    Nun könnte man natürlich argumentieren, dass eine betreute Wohngruppe für Teenager mit psychischen Problemen gar kein unwahrscheinlicher Ort ist, wenn man paranormale Teenager finden will, vor allem solche, die gar nicht wissen, was sie sind. Unsere Symptome konnten zurechtinterpretiert werden, bis sie zu bekannten psychischen Störungen passten. Und weil alle Welt wusste, dass es unmöglich war, mit Toten zu sprechen oder Menschen mit der bloßen Hand zu verbrennen oder einen Jungen zur Seite zu schleudern und ihm dabei das Genick zu brechen, war die offensichtliche Erklärung, dass wir geistesgestört waren, halluzinierten, von Feuer besessen oder unkontrollierbar gewalttätig waren.
    Aber an Toris Stimmungsschwankungen war nichts Paranormales. Und Peter war offenbar wegen irgendwelcher Angstzustände in Lyle House gewesen, auch das passte nicht ins Bild.
    Nichtsdestoweniger wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich etwas übersehen hatte, dass die Verbindung da war und mein Hirn zu sehr von anderen Fragen abgelenkt wurde, um sie zu sehen. Ich hatte den Eindruck, dass es Derek ebenso ging.
    Ob Rae nun eine Paranormale war oder nicht, wir waren uns einig, dass sie mitkommen sollte. Für Derek lautete die Frage weniger »Sollen wir sie mitnehmen?« als »Können wir riskieren, sie zurückzulassen?«. Wenn sie sich nun rächte, indem sie die Schwestern informierte? Ich konnte mir das zwar nicht vorstellen, aber wenn sie Rae nach unserem Verschwinden wirklich unter Druck setzten, würde sie wahrscheinlich früher einknicken als Derek.
    Dereks einzige Bedingung war, dass wir die Details unserer Kräfte und unserer Pläne vorläufig noch möglichst vage halten sollten.
     
    Ich erzählte es Rae, und dann ließ Derek die Bombe platzen, mit der keiner von uns gerechnet hatte: Wir würden in der kommenden Nacht gehen müssen.
    Es war Samstag, wir hatten also den Rest des Tages, um unsere Vorbereitungen zu treffen, und die Hausarbeit lieferte uns die nötigen Entschuldigungen, um uns überall umzusehen und das Nötige zusammenzusuchen. Heute Abend hatte Miss Van Dop frei, und bei der Schwester, die nur am Wochenende kam, war die Gefahr viel geringer, dass sie merken würde, dass wir irgendwas planten. Es war besser, gleich zu gehen, bevor uns noch etwas dazwischenkam.
    Nachdem ich über die erste panische »O Gott, du meinst
heute
Nacht?«-Reaktion hinweg war, musste ich Derek zustimmen – je früher wir gingen, desto besser.
    Und so packte ich, während Rae das Mädchenbad putzte und dabei Schmiere stand.
    Ich hatte schon mehrmals fürs Ferienlager gepackt, aber im Vergleich dazu war dies eine Tortur. Bei jedem Stück, das ich einpackte, musste ich mir überlegen, wie dringend

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