Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenstunde

Schattenstunde

Titel: Schattenstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
den Deckel herum. Kein Anzeichen für ein Schloss.
    »Na, dann mach sie halt auf«, sagte Rae.
    Ich ging auf die Knie und klemmte mir die Taschenlampe zwischen die Beine. Meine Fingerspitzen schoben sich unter die Kante des Deckels.
    »Na los, na los«, drängte Rae.
    Ich ignorierte sie. Es war dieser Raum, von dem der Geist gewollt hatte, dass ich ihn sah, da war ich mir sicher. Und dieser Kasten war der einzige Gegenstand, den ich in dieser leeren dunklen Höhle sehen konnte.
    Ich hatte Kästen wie diesen bereits in Filmen gesehen, und was drinsteckte, war niemals gut. In der Regel kamen hier die Körperteile ins Spiel.
    Aber ich musste es herausfinden. Der Deckel ließ sich ein Stück anheben und blieb dann hängen. Ich ruckelte daran herum. Eine Seite ließ sich öffnen, die andere klemmte wieder. Ich ließ die Fingerspitzen um die Oberkante herumgleiten, um herauszufinden, woran sie hängen geblieben war. Es war ein Stück Papier.
    Ich zerrte, und das Papier zerriss, wobei ich eine Ecke in den Fingern behielt. Ich sah, dass sie von Hand beschrieben war, aber es waren nur Bruchstücke von Wörtern zu erkennen. Ich tastete nach dem Papier, das zwischen Deckel und Kastenwand steckte, und zog, wobei ich den Deckel zugleich mit der anderen Hand hochstemmte. Ein scharfer Ruck, und das Papier war losgerissen. Der Deckel ebenfalls. Er flog nach oben und landete in meinem Schoß. Bevor ich mir überlegen konnte, ob ich wirklich genauer hinsehen wollte, sah ich bereits hin, starrte geradewegs in den Kasten hinein.
    »Papier?«, fragte Rae.
    »Sieht aus wie … Akten.«
    Ich griff in eine Aktenmappe mit dem Vermerk
2002
und zog ein Bündel Papiere heraus. Ich las das oberste davon.
    »Grundsteuer.« Ich blätterte die übrigen Seiten durch. »Das ist einfach bloß Papierkram, den sie aufheben müssen. Sie haben das ganze Zeug in einen feuerfesten Kasten getan und hier unten aufbewahrt. Die Tür ist wahrscheinlich nur deshalb abgeschlossen, damit wir nicht drin rumschnüffeln.«
    »Oder das hier ist gar nicht das, was der Geist dir zeigen wollte. Das würde bedeuten, dass es hier unten noch irgendwas anderes geben muss.«
    Wir verbrachten zehn Minuten damit, in dem Loch herumzukriechen, und fanden nichts außer einem toten Maulwurf, der so übel stank, dass ich mich beinahe erbrochen hätte.
    »Gehen wir«, sagte ich schließlich, in der Hocke sitzend und mit verschränkten Armen. »Hier ist überhaupt nichts, und es ist eiskalt.«
    Rae leuchtete mir mit der Taschenlampe ins Gesicht. Ich schlug sie zur Seite.
    »Kein Grund, giftig zu werden«, sagte Rae. »Ich wollte einfach bloß sagen, dass es überhaupt nicht kalt ist.«
    Ich griff nach ihrer Hand und legte sie auf meinen Arm. »
Mir
ist kalt. Das da ist eine Gänsehaut, okay? Fühlst du’s?«
    »Ich hab ja auch nicht gesagt, dass du nicht …«
    »Ich gehe. Du kannst ja bleiben, wenn du willst.«
    Ich begann davonzukriechen. Als Rae mich am Fuß packte, riss ich mich mit so viel Nachdruck los, dass ich sie fast umgeschmissen hätte.
    »Was ist denn plötzlich los mit dir?«, fragte sie.
    Ich rieb mir die Arme. Die Anspannung brummte geradezu in mir. Der Kiefer tat mir weh, und ich stellte fest, dass ich unwillkürlich die Zähne zusammenbiss.
    »Ich hab einfach … bis gerade eben war alles okay, aber jetzt … ich will einfach hier raus.«
    Rae kam angekrochen, bis sie neben mir war. »Du schwitzt ja. Schweiß und Gänsehaut. Und deine Augen glänzen, fast als ob du Fieber hättest.«
    »Vielleicht hab ich welches. Können wir jetzt einfach …?«
    »Hier ist irgendwas, stimmt’s?«
    »Nein, ich …« Ich unterbrach mich und sah mich um. »Vielleicht. Ich weiß nicht. Ich muss einfach … ich muss hier raus.«
    »Okay.« Sie gab mir die Taschenlampe. »Du zuerst.«
    In dem Moment, in dem meine Finger sich um die Lampe schlossen, wurde das Licht trüber. Innerhalb von Sekunden war es zu einem schwachen gelblichen Schimmer geworden.
    »Bitte sag mir, dass einfach nur die Batterie am Ende ist«, flüsterte Rae.
    Hastig gab ich ihr die Lampe wieder zurück. Das Licht flammte auf, aber nur eine Sekunde lang. Dann ging es aus, und wir saßen im Finstern. Rae stieß einen Fluch aus. Dann ein Ratschen. Licht flackerte. Raes Gesicht glomm hinter einer Streichholzflamme.
    »Wusste doch, dass die Dinger irgendwann mal wirklich praktisch sein würden«, sagte sie. »So, jetzt …«
    Sie brach ab, und ihr Blick glitt zur Flamme. Sie starrte sie an wie ein Kind, das

Weitere Kostenlose Bücher