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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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pulsierte durch seinen Körper, die Verwandlung dauerte nur einen Augenblick. Im nächsten Moment hatte er die Kampfgestalt angenommen, er war zu einem gedrungenen Monster geworden, auf halbem Wege zwischen Ratte und Mensch, aber der Muskelmasse von
zwei
Menschen. Seine Ohren waren angelegt, die Nackenhaare gesträubt, seine krallenbewehrten Pfoten zum Angriff erhoben.
    »Was ist nun?«, flüsterte er, ein kehliges Knurren ausstoßend.
    Eisige Stille. White und Sheffield waren von Armstrongs Seite gewichen, während sich Spider auf die Bierflasche in seinen Händen konzentrierte. Armstrongs Augen glitzerten wütend. Seine Hände waren zu Fäusten geballt, so fest, dass die Knöchel bereits weiß geworden waren. Für einen Moment glaubte Mickey, dass er ebenfalls die Gestalt wechseln und somit einen Kampf um die Anführerschaft erklären würde.
    Aber er täuschte sich. Armstrongs Hände entspannten sich plötzlich, und er wandte sich ab. »Entschuldigung, Boss«, murmelte er leise. »Ich hätte mein Maul halten sollen.«
    »Hättest du.« Langsam floss Mickey zurück in seine Menschengestalt. »Kannst deinen Mut heute Nacht zur Wache abkühlen.«
    »Ja, Boss.«
    Mickey griff nach der Zigarettenpackung, die in Armstrongs Hemdtasche zu sehen war, und steckte sich eine in den Mund. Den Rest ließ er in seiner Jacke verschwinden. »Und Spider, du kannst ihm dabei Gesellschaft leisten.«
    Spider nickte nur, aber Sheffield warf ein: »Ich übernehme das, ich schulde Spidy noch eine Wache. Okay, Boss?«
    »Macht doch, was ihr wollt …« Mickey ging zur Tür.
    Draußen regnete es in Strömen. Die Beleuchtung des Clubs war abgeschaltet, und tiefhängende Wolken blockierten den Mond, sodass es stockfinster war. Obwohl er im Windfang stehen blieb, brauchte er drei Versuche, bis die Zigarette brannte. Er inhalierte tief, ließ dann mit einem Seufzer den Rauch aus der Nase entweichen.
    Die Stadt stank. Der Regen ließ die Gullys überlaufen und die Scheiße über den Asphalt rinnen. Ein paar
echte
Ratten huschten über die Straße, triefend und schmutzig und auf der Suche nach einem neuen Unterschlupf.
    Viel Glück dabei
, dachte er bei sich.
    »Du weißt, Boss«, meinte Sheffield hinter ihm, »dass er nicht ganz unrecht hat.«
    Mickey hatte ihn längst gehört und erschrak nicht. »Ich weiß. Zigarette?«
    »Ja, gerne.«
    Er reichte ihm Armstrongs Packung, bevor er weitersprach: »Die Queen höchstpersönlich ist nicht begeistert von Ashkaruna, deshalb hat sie mir ja den Auftrag gegeben, ihr regelmäßig Bericht zu erstatten. Aber es bringt nichts, jetzt Unruhe zu stiften. Solange die Queen nicht entschieden hat, wie es weitergehen soll, erfüllen wir unsere Pflichten den Schatten gegenüber, Ashkaruna mit eingeschlossen.
Dann
sehen wir weiter.«
    »Ist gut, Mickey.«
    Gemeinsam standen sie schweigend da und rauchten. Die Kippen warfen sie in den Gully und sahen zu, bis sie davongespült waren. Mickey wandte sich nach drinnen. »Ich hau’ mich hin.«
    »Gute Nacht, Boss.«
    »Ach, und Sheffield …«
    »Ja?«
    »Halte die Augen offen. Ist ’ne scheiß-dunkle Nacht heute!«
     
    Als er das erste Mal erwachte, war sein Rudel der Auslöser dafür. Schlaftrunken rollte er sich zur Seite, um ihnen Platz zu machen. Während sich die anderen unter Geschiebe und Gedränge zu ihm ins Bett legten, identifizierte er die Stimmen von Ricky, Spider,White und Armstrong. Er wunderte sich kurz, warum Armstrong hier war und nicht Spike, die siebte Ratte des Rudels, aber er war zu müde, um sich damit zu beschäftigen. Er knuffte White in die Seite, als der versuchte, sich halb auf ihn zu wälzen, und trat nach einem eiskalten Fuß, der sich an ihm wärmen wollte. Dann schlief er in der Geborgenheit seines Rudels wieder ein.
    Das zweite Mal erwachte er, als sich ein Arm unsanft auf sein Gesicht legte. Die Unruhe im Bett ließ darauf schließen, dass sich irgendjemand verschoben hatte und nun die Neuausrichtung der Schlafenden begann. Mickey drückte die Hand zur Seite und schloss erneut die Augen.
    Als er das dritte Mal erwachte, brach ihm der Schweiß aus allen Poren, und sein Herz schlug so schnell, dass er die einzelnen Schläge schon gar nicht mehr wahrnehmen konnte. Panische Todesangst lief durch seinen Körper wie Strom durch einen Kupferdraht.
    Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Mickey erkannte, dass es nicht
seine
Angst war, die er verspürte.
Spike
. Er war tödlich verwundet. Mickey spürte, wie sein Rudelbruder panisch versuchte,

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