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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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um sich nach dem weiteren Weg umzusehen, blieb in seinen geschundenen Muskeln und Knochen ein dumpfes Brennen zurück. Immerhin hatte in der Dunkelheit niemand seine Verletzungen bemerkt. Die Folgen für den Frieden im Lager wären nur schwer abzusehen, wenn sich herumsprechen würde, dass die Bretonen einen helvetischen Hauptmann verprügelt hatten.
    Die Stimmung im Trupp war miserabel, auch wenn der Regen seit etwa einer halben Stunde aufgehört hatte. Der Schattennebel zerrte an ihren Nerven, jener mystische Nebel, der über das Land zog, wenn die Schatten die Außenwelt verdarben. Er machte depressiv und aggressiv, und dementsprechend hatten die Männer während des Ritts gestritten und geflucht und waren schließlich in eine brütende, verzweifelte Stille gefallen.
    Wenigstens waren sie auf dem Weg keinen Fomorern begegnet, obwohl sich noch immer Dutzende von ihnen in den Nebeln versteckten. Ein Gefecht war so ziemlich das Letzte, was sich Baturix wünschte. Selbst ohne die Prügel der Bretonen hatte er noch immer nicht seine volle Kampfkraft zurückerlangt. Die drei verbliebenen Finger seiner rechten Hand waren noch immer schwach und neigten dazu, in ungünstigen Momenten ihre Kraft zu verlieren.
    »Was für ein von den Göttern verlassener Ort«, murmelte Septus, ein wuchtiger, kahlköpfiger Mann von fünfunddreißig Jahren,als sie ihre Pferde den schmalen Pfad die Bergflanke entlanglenkten, vorbei an düsteren Nebelbänken und flackernden Bränden.
    Baturix nickte. »Dantes Inferno.« Er war so tief in seinen Gedanken versunken, dass ihm zu spät einfiel, dass der Gardist in der Innenwelt geboren war. »Ein Poet aus der Außenwelt«, fügte er deshalb hinzu, »der versucht hat, die …« Er musste kurz nachdenken.
Hölle
war kein Konzept, das in der keltischen Mythologie bekannt war. »… die Welt der Toten zu beschreiben.«
    »Feuer im Totenreich?«, fragte Septus zweifelnd. »Weiß man in der Außenwelt nicht, dass es dort kalt ist?«
    »Man kennt dort nicht einmal die wahren Götter. Vergiss nicht, die meisten dort draußen sind Christen.«
    »Ah.
Christen .«
Aus Septus’ Mund klang das Wort wie ein Fluch. Und kein Wunder: Die Druiden sahen in der Ausbreitung des Christentums in der Außenwelt die Ursache für den Rückgang der Magie und predigten dies oft genug.
    Vor ihnen schälte sich groß und schwarz der Umriss eines Höhleneingangs aus dem Nebel. Zwei Feuer brannten vor der Öffnung, um den richtigen Weg zu weisen. Baturix atmete dankbar auf. Sie waren am Ziel ihrer Reise angekommen.
    »Halt!«, rief auf Helvetisch eine Stimme aus dem Nebel. »Wer ist dort?«
    »Baturix von Allobroga, im Auftrag des Heerführers Cintorix!«
    »Kommt näher!«
    Langsam ritt er weiter. Doch erst als er den Eingang erreicht hatte, erkannte er die Männer, die sich darin versammelt hatten. Es waren fünf, in von der Nebelfeuchtigkeit triefenden Kleidern, mit an den Köpfen klebenden Haaren, gerüstet und bewaffnet. Sie standen Schulter an Schulter, die Schilde in den Händen, bereit, sie jederzeit in einen Schildwall zu heben.
    »Ich bin hier, um Derrien Schattenfeind abzuholen«, erklärte Baturix weiter und hoffte, dass sie seine Ankunft bereits erwartet hatten.
    Eine weitere Gestalt trat von hinten zu den Männern. »Zeig dein Gesicht!«, befahl er.
    Baturix kletterte mühsam aus dem Sattel und zog die Kapuze vom Helm. Der Neuankömmling drängte sich an den Männern vorbei und trat nach vorne, wo er an den Feuern eine Fackel entzündete. Er war deutlich älter als die anderen und offenbar ihr Anführer. Sein Haar war weit von seiner Stirn gewichen und ergraut, der Bart schütter und fransig.
    »Scipio?«, fragte Baturix unsicher.
    Der Alte grinste plötzlich. »Genau der. Hätte nicht gedacht, dich so bald schon wiederzusehen!«
    Als die Krieger sahen, wie sich die beiden herzhaft die Hände schüttelten, entspannten sie sich. »Habt ihr Neuigkeiten aus dem Lager?«, fragte einer, während ein anderer anbot: »Kommt erst mal rein und wärmt euch auf.«
    »Kümmert euch um die Pferde!«, befahl ihnen Scipio. Dann wandte er sich zu Baturix: »War sicher kein angenehmer Ritt.«
    Baturix schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Der alte Waldläufer nickte und führte sie in die Höhle. Hier drinnen wurde der Nebel noch einmal dichter, so dass die Sicht nicht einmal von einer Wand zur anderen reichte. Scipio hielt sich an der rechten Wand, wo in regelmäßigen Abständen Fackeln in Halterungen an der rauen Granitwand hingen.

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