Schattensturm
seinem Bauch, seinem Schädel. Er krümmte sich zusammen, versuchte, sein Gesicht zu schützen, während der Schmerz in seinem Körper tobte. Für einen Moment fragte er sich, ob sie wussten, dass er ein Kettenhemd trug, und deshalb so heftig zutraten; wenn nicht, glich der Angriff einem Mordversuch. In diesem Moment traf ihn etwas im Gesicht und ließ erneut Sterne vor seinen Augen explodieren. Er schmeckte Blut auf der Zunge, presste seinen Kopf nur noch fester gegen seine Arme. Mehr Schläge prasselten auf ihn ein. Baturix schickte ein Stoßgebet zu Dagda, dem Totengott, und flehte darum, ihn zu verschonen …
Plötzlich hörte es auf. Die Männer beugten sich über Kenan, der neben ihm ein Stück weiter im Dreck lag. Sie murmelten und flüsterten in ihrer Sprache, doch mit dem Helm auf dem Kopf, dem prasselnden Regen und dem dröhnenden Schmerz in seinem Kopf verstand er sie nicht.
Du könntest um Hilfe schreien
, fiel ihm ein, doch er beschloss, es nicht darauf ankommen zu lassen. Aller Wahrscheinlichkeit nach würde das in diesem Teil des Lagers nur noch mehr Bretonen auf den Plan rufen. Stattdessen legte er seine gesamte Konzentration darauf, wieder auf die Beine zu kommen. Es war anstrengend, seine getretenen Muskeln brannten wie Feuer, aber es gelang ihm.
»Er ist tot!«, rief plötzlich einer der Bretonen. »Er ist
tot
!«
Es dauerte ein paar Momente, bis die anderen akzeptierten, was gesagt worden war. Sie ließen Kenans Körper zu Boden gleiten und wandten sich hasserfüllt zu ihm. »Du hast ihn getötet!«, zischte einer, »Du hast ihn umgebracht!« ein anderer.
Langsam standen sie auf, die Schultern gestrafft, die Fäuste geballt. Zwei von ihnen zückten ihre Messer. Aber sie hatten den Moment der Überraschung verloren. Baturix hielt sein Schwert bereits in der Hand.
»Na, kommt schon«, zischte er, dabei Blut spuckend. »Wer will der Erste sein?« Die Situation erinnerte ihn plötzlich an einen seinerfrüheren Kämpfe, ein Gefecht in den frühen Morgenstunden im Wald des Niemandslandes, in dem er drei Fomorern gegenübergestanden hatte, ebenfalls nur mit Dolchen bewaffnet. Er hatte in dem Kampf zwei Finger seiner rechten Hand verloren, und für einen Moment wunderte er sich, ob ihn dieser hier nicht noch mehr kosten würde.
Doch sie griffen ihn nicht an. Jeder von ihnen wusste, dass der Erste sein Leben auf Baturix’ Klinge lassen würde.
»Lauf, du Bastard!«, rief einer, während Baturix langsam zurückwich. »Feige Ratte!«
»Wir kennen dich«, stieß ein anderer aus. »Und wir kriegen dich, früher oder später!«
»Verpiss dich! Lass dich hier nie wieder blicken!«
Sie folgten ihm nicht, während Baturix langsam die Entfernung vergrößerte. Schließlich wandte er sich herum und rannte, so schnell er konnte. Sie warfen ihm ein paar Steine hinterher, doch es war dunkel, und so gingen die Geschosse größtenteils daneben.
Als er wieder Cintorix’ Langhaus erreichte, war der Tumult darin vorbei. Majestus stand vor dem Eingang Wache, in der Hand eine Fackel, und gab sich Mühe, Baturix zu ignorieren. Baturix war das nur recht. Er ignorierte ihn ebenfalls, ging mit schleppendem Gang zu seinem Pferd und stemmte sich in den Sattel. Dann ritt er zum Lagerausgang, um mit Septus und seiner Eskorte zur Pforte zu reiten.
Die Pforten waren die Verbindungen zwischen Außen- und Innenwelt. Für die Kelten waren es heilige Orte, an denen sie Steinkreise errichteten und ihre geweihten Haine pflanzten, wo sie die Götter verehrten und ihrer Ahnen gedachten. Sie wurden von Schutzgeistern bewacht, die die Schönheit der Natur behüteten und eifersüchtig darauf aufpassten, dass niemand die Pforte benutzte, der ihrer nicht würdig war.
Die Bergpforte jedoch war eine gefallene Pforte, eine, die schonseit Jahren unter Kontrolle der Schatten stand. Sie lag an einem Hang voller verbrannter Bäume und moderndem Unterholz. Die Luft roch abgestanden und faul, nach verwesendem Fleisch und altem Öl. Trotz Regen und Feuchtigkeit brannten noch immer vereinzelte Feuer, die Flammen erhalten von verdorbener Magie. Orangerot schienen sie flackernd durch den drückenden, zähen Schattennebel, der sich um die Pforte herum besonders verdichtet hatte.
Der Ritt war anstrengend gewesen, kalt und nass. Baturix fühlte sich elender als je zuvor. Die Schläge und Tritte, die er hatte einstecken müssen, stachen mit jedem Schritt seines Pferdes schmerzhaft in sein Bewusstsein, und selbst wenn er Vitellius kurz stoppte,
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