Schattensturm
Ihr Ruß rann dick und schwarz die Wände herab und tropfte von der Decke.
Nach einer Biegung erreichten sie ein Feuer, umringt von einer Reihe schmutziger Stiefel, von den Waldläufern zum Trocknen aufgestellt. Darum herum hatten sie ihre Lager aufgeschlagen. Rucksäcke und Ausrüstung standen kunterbunt zwischen Lederplanen und Wolldecken, in denen ein paar Waldläufer eingewickelt lagen und schliefen. Eine Gruppe aus vier Mann saß um eine umgedrehte Packkiste und spielte Würfel. Weder sie noch einer von den Schläfern machte einen gepflegteren Eindruck als die Waldläufer vom Eingang.
»Viele Leute«, kommentierte er.
Scipio nickte. »Seitdem wir die Pforten in Bergen wieder verloren haben, ist dies unsere letzte Pforte in der Gegend. Draußen im Nebel wartet ein ganzes
Rudel
Phantome darauf, uns die hier auch noch wegzunehmen.«
»Phantome?«
»Sie schleichen jede Nacht um den Höhleneingang«, erklärte Scipio. »Die Pforte lockt sie an.«
Baturix schluckte.
Phantome …
Ein Wunder, dass sie ihn und seine Männer auf dem Weg hierher nicht angegriffen hatten! Was für ein elender, verlorener Posten …
Scipio rief währenddessen: »Derrien, Baturix ist hier, um Euch abzuholen.«
»Wurde aber auch Zeit«, grummelte eine Stimme aus dem Hintergrund. »Esst etwas und legt euch schlafen. Wir reiten morgen.« Halb im Nebel verborgen saß dort ein Mann an die Höhlenwand gelehnt, auf dem Schoß ein dickes, schwarzes Buch. Es war viel zu dunkel, um zu lesen, aber genau das schien er zu tun. Sein bretonischer Dialekt und die Tatsache, dass er die Befehle gab, ließen nur den Schluss zu, dass es sich um Derrien handelte.
Baturix verneigte sich kurz. »Habt Dank, mein Herr.«
Der Mann reagierte nicht mehr auf ihn, sondern blätterte weiter.
Scipio scheuchte einen der Würfelspieler auf, sich um etwas Verpflegung zu kümmern, bevor er sich selbst mit knackenden Knien auf ein Lager sinken ließ. »Erzähl uns von der Schlacht«, meinte er. »Du als der Bannerträger der Spinne musst doch eine glänzende Aussicht gehabt haben!«
»Ja.« Baturix wandte seinen Blick zu Boden. Er sprach nicht gerne über das Gefecht, in dem Markus umgekommen war. Deshalb fasste er sich so kurz wie nur irgend möglich. »Zuerst sind sie zweimal durch unseren Wall gebrochen. Ein Loch hat unsere Reserve gestopft, das zweite die Reiterei. Dann sind wir durch ihren Wall gebrochen, und das hat die Panik ausgelöst. Ab dann war es ein Gemetzel.« Die Gesichter der versammelten Waldläufer, diesich erwartungsvoll zu ihm gedreht hatten, wandten sich enttäuscht ab, als sie bemerkten, dass er ihnen keine spannende Unterhaltung bieten würde. Baturix war das ganz recht. Er hasste es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. »Danke«, meinte er zu einem Mann, der ihm einen Becher Wasser und einen Teller mit Brot und etwas warmem Eintopf reichte.
»Mein Bruder hat die Schlacht gewonnen.«
Baturix sah auf. Derrien hatte das Buch zur Seite gelegt und war unbemerkt zu ihnen getreten. Sein Gesicht war rau und wettergegerbt von einem Leben draußen in den Wäldern, die Züge gleichmäßig und kantig. Haar und Bart des Bretonen waren als Tribut an seine häufigen Reisen in die Außenwelt kurz gehalten, weswegen er nicht halb so verwahrlost aussah wie der Rest seiner Männer. Baturix hatte bereits von den Runen gehört, die ein Schatten während Derriens Gefangenschaft in sein Gesicht geschnitten hatte, doch die Narben entstellten ihn nicht so sehr, wie Baturix erwartet hatte.
»Ja«, antwortete er ihm direkt und ohne Umschweife. »Euer Bruder hat die Schlacht gewonnen. Er und Eure Historikerin.«
Derrien lächelte grimmig. »Das macht deine Spinne vermutlich wahnsinnig, dass ihm eine Frau die Butter vom Brot genommen hat.«
Baturix senkte seinen Blick wieder zu Boden und widmete sich dem warmen Essen. Für einen Moment hatte er gehofft, dass es ein Waldläufer-Eintopf war, mit viel Fleisch und frischen Pilzen. Doch die Waldläufer hatten in den letzten Wochen kaum Zeit zum Jagen gehabt, ihr Essen entstammte genauso wie das Lageressen den Vorräten des feindlichen Trosses: Getreidebrei, Bohnen und Karotten, dazu etwas verkochtes Pferdefleisch. Die ständige Feuchtigkeit des Schattennebels hatte das Brot schimmeln lassen. Baturix zwang es dennoch hinunter. Das schale Wasser trank er in einem Zug hinterher, wischte sich dann mit dem Ärmel über den Mund. »Er ist froh darüber, die Schlacht gewonnen zu haben«, antwortete er schließlich
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