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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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entging den Männern. Unruhe und Angst machte sich unter ihnen breit.
    »Wir müssen schwimmen«, meinte Stefan und blieb stehen, um sich die Schuhe von den Füßen zu ziehen.
    »Was?«, fragte Arne.
    »Das Feuer kommt näher. Im Wasser sind wir schneller, wenn wir schwimmen. Aber nehmt die Schuhe mit, wir werden sie auf dem Bahndamm brauchen.«
    Wolfgang nickte und folgte seiner Aufforderung. Nachdem eraus den Stiefeln geschlüpft war, band er die Schnürsenkel zusammen und hängte sie sich um den Hals. Er warf noch einmal einen Blick über die Schulter und erschrak. Das Feuer hatte das kleine Wäldchen vor den Plattenbauten erfasst und rückte weiter näher.
    »Verdammt!«, fluchte er. »Wir müssen uns beeilen! Los, wir sehen uns am Bahndamm!«
    Es hatte keinen Sinn mehr, auf die anderen zu warten. Er stellte sicher, dass er die Stiefel nicht verlieren konnte, und ließ sich dann mit seinem ganzen Körper in das Wasser sinken. Mit kräftigen Armzügen schwamm er los. Hinter sich hörte er das Plätschern der anderen, hörte sie anfangs noch leise reden, doch sie verstummten bald, als sie hinter sich das Knistern von Flammen vernahmen. Wolfgang widerstand dem Drang, sich nach dem Feuer umzudrehen, sondern legte seine ganze Konzentration auf das Schwimmen.
    »O Gott!« Die Stimme einer der Leute, die sich ihnen angeschlossen hatten, überschlug sich beinahe. »Ich habe einen Krampf! Helft mir, bitte!«
    »GARNIER!«, brüllte Tönnes im Kommandoton. »Schwimm weiter!«
    »Aber er wird verbrennen, wenn –«
    »Nichts aber! Oder willst
du
verbrennen? Schwimm!«
    Als Wolfgang den Bahndamm erreichte, stand ihm Schweiß auf der Stirn. Hastig kletterte er aus dem Wasser und schlüpfte zurück in die Stiefel. Die ersten Brände waren mittlerweile schon weniger als hundert Meter entfernt. Der Wind sang und pfiff im stählernen Geländer der Brücke und ließ die verbliebenen Blätter in den Baumkronen rauschen. Wolfgang sah, wie ein Baum nahe der Brandfront plötzlich selbst in Flammen stand, abrupt und ohne Übergang. Das Feuer fraß sich nicht näher, sondern sprang. Wolfgang schnellte hoch, sobald der letzte Knoten gebunden war, und erklomm hastig den Bahndamm.
    Der Wind, der ihm dort entgegenschlug, blies ihn beinahe rücklingswieder um. Er taumelte und hielt sich an einem Strommasten fest.
    »Woher kommt denn der Sturm?«, schrie Maria über das Brausen hinweg.
    »Kamineffekt!«, rief Stefan zurück. »Der Brand hinter uns ist so stark, dass er die Luft anzieht!«
    Wolfgang zwinkerte Tränen aus seinen Augen. »Du meinst, das wird ein Feuersturm?«, fragte er ungläubig. Feuerstürme waren im Zweiten Weltkrieg oft nach den Flächenbombardements der alliierten Bomberverbände entstanden und hatten Städte wie Dresden oder Kassel verwüstet. In seiner Ausbildung zum Jarl hatten seine Lehrer einiges an Mühe darauf investiert, über die Gräuel der Alliierten im Zweiten Weltkrieg genau zu unterrichten.
    »Das ist schon einer!«
    Wolfgang blickte sich um. Der Rauch machte es unmöglich, die ganze Situation zu erfassen, doch es schien so, als ob mittlerweile halb Hamburg in Flammen stehen würde. Er fürchtete, dass das Feuer vor der anderen Hälfte nicht Halt machen würde …
    »Beeilt euch!«, schrie er den Bahndamm hinab, wo noch immer Leute im Wasser waren. Dann wandte er sich um und rannte.
    Doch er kam nicht halb so schnell voran, wie er erwartet hatte. Der Wind – nein, der
Sturm
– blies mit voller Wucht in sein Gesicht und hielt ihn beinahe ebenso auf wie zuvor das Wasser. Zweige und Äste, Plastikmüll und Papier flogen ihnen entgegen und verschwanden in der Feuersbrunst, die in den Straßen hinter ihm tobte. Mühsam kämpften sie sich voran.
    Plötzlich rissen die Stromleitungen aus den Masten zur Seite davon, zuerst die neben ihm, dann die weiter vorne, ein Mast nach dem anderen. Hastig warf er einen Blick über die Schulter, den Leitungen hinterher.
    Er hätte es lieber nicht getan.
    Etwa hundert Meter rechts hinter ihnen hing etwas in der Luft, eine große, schwarze Silhouette vor dem schwelenden Orangerot der Brände dahinter scharf kontrastiert, kaum mehr als ein vomWind aufgebauschtes Flügelpaar. Zwei kräftige, kurze Hinterbeine hielten die Kabel fest, während sich das
Ding
mit schwerem Flügelschlag weiter gegen den Wind nach vorne kämpfte, um noch mehr Masten auszureißen. Dann öffneten sich die Beine, und die Kabel stürzten auf das Wohnhaus darunter. Die Kreatur drehte die Flügel im Wind und

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