Schattensturm
Trollen, die eine Art Handramme zwischen sich trugen, um damit die verbarrikadierte Tür zum Turm aufzusprengen. Plötzlich schoss jeder Schütze auf dem Dach in diese Richtung. Pfeile sprossen den Trollen aus den Körpern, einer stolperte, dann noch einer, und binnen weniger als einer halben Minute war keiner mehr auf den Beinen.
»Das ist fast
zu
einfach!«, meinte einer.
Als Nächstes kommen sie mit Schilden
, dachte Veronika, aber sie sprach es nicht aus. Sie wollte ihnen den Mut nicht nehmen, den sie geschöpft hatten. In diesem Moment hörte sie ein dumpfes Krachen, das von unter ihnen zu kommen schien.
»Verdammte Scheiße, was ist das denn?«, fluchte einer.
Veronika eilte zur Ostseite des Turms und lehnte sich vorsichtig darüber. Tatsächlich befand sich unter ihr auf dem Wehrgang ein weiterer Trupp Trolle, auch sie mit einer Ramme ausgestattet. »Schützen!«, keuchte sie und trat zur Seite, während ihre Männer versuchten, sich über die Zinnen zu lehnen, um senkrecht nach unten zu schießen.
Keiner der anderen Türme half dabei. Die Asymmetrie Trollstigens ermöglichte nur dem Ostturm, auf den Osteingang des Glockenturms zu schießen. Und der Ostturm war längst gefallen …
So beginnt es
, dachte sie, während unter ihr weiter das Krachen der Ramme zu hören war. So würde einer der Türme nach dem anderen fallen. Es begann hier, doch wenn der Glockenturm tot war, war auch der Südeingang des Torturms ungedeckt. Der Westturm würde am längsten durchhalten. Wenn schließlich auch er in der Hand der Schatten war, war die Festung Trollstigen gefallen.
Und mit ihr zweihundert tapfere Krieger
. Das war eine ganze Kompanie. Eine ganze Kompanie unter ihrem Kommando, und alle würden sterben. Das Gefühl, für den Tod all dieser Menschenleben verantwortlich zu sein, trieb ihr Tränen in die Augen. Sie schluckte mehrmals.
Einer der Schützen taumelte plötzlich keuchend zurück und fiel auf seinen Rücken. Er brüllte wie am Spieß und strampelte mit den Beinen. Einer seiner Gefährten eilte zu ihm und legte sich über seine Brust. »Ruhig, Asger!«, flüsterte der Mann. »Ruhig! Gleich hast du es geschafft! Ist gleich so weit, dann ist es vorbei, dann bist du raus hier! Walhall wartet, Asger! Walhall!«
Doch der Mann schrie weiter.
»Hier, leg deine Hand um dein Schwert«, flüsterte der Mann, »und warte auf uns in Walhall! Wir kommen gleich! Wir kommen! Denk an Walhall!«
Die Schreie des Mannes wurden schwächer.
Das erneute Krachen der Ramme schreckte Veronika auf. Hastig humpelte sie zur Leiter und zwang sich, vorsichtig zu sein, während sie nach unten stieg. Sie hätte auch oben warten können,
gleich ist es vorbei
, doch solange sie den Eingang zum Turm halten konnten, bestand noch ein winziger Schimmer Hoffnung. Sie biss die Zähne aufeinander, um die Schmerzen zu ignorieren, und erreichte den Glockenraum. Unter ihr wurde das Pochen der Ramme lauter.
Hoffentlich habe ich nicht zu lange getrödelt
, dachte sie und stellte sich vor, was ihre Ahnen wohl sagen würden, wenn sie nun
doch
zu spät zu ihrer eigenen Belagerung kommen würde. Sie lächelte grimmig.
Die Tür hielt jedoch noch, als sie im Wachraum ankam. »Wir brauchen Licht«, flüsterte sie. Während Feuerstein auf Stahl pochte und die Trolle draußen mit ihrer Ramme schlugen, schloss Veronika die Augen. Das Gefühl der Gefahr, das von der Tür ausging, war enorm. Sie glaubte die Bedrohung fast
sehen
zu können, eine Schwärze, die sich schlierenartig von der Tür aus in den Raum ausbreitete.
Dann zischte das Pech einer Fackel, und es gab Licht.
»Weg von den Schießscharten!«, befahl sie. »Drei Männer mit Speeren nach vorne. Bogenschützen dahinter. Die Speerträger gehen in die Knie, damit die Bogenschützen über sie schießen können. Zwei Männer stellen sich rechts an die Tür. Der Plan sieht so aus: Wir öffnen die Tür, die Bogenschützen schießen, alle Trolle, die dann noch stehen, werden von den Speeren getötet. Die beiden Männer an der Tür schnappen die Ramme und ziehen sie zu uns in den Raum. Noch Fragen?« Niemand sagte etwas. »Dann los!«
Die Männer stellten sich auf. Veronika gesellte sich zu den Bogenschützen, um zu sehen, was passierte. Ihr Gefahrensinn pochte in ihrem Schädel wie ein böser Kopfschmerz. Was sie vorhatte, war gefährlich, äußerst gefährlich. Doch sie spürte, dass sie so mehr Zeit gewinnen konnten, mehr Zeit für die Bogenschützen über ihnen.
Mehr Zeit für die Verstärkung
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