Schattensturm
die an der Suche teilgenommen hatten.
»Sehr sicher!«, gab Wolfgang zurück. »Einer war eine Schlange. Der andere … Keine Ahnung. Es hat mich ein wenig an einen Drachen erinnert. Sie haben gekämpft.«
»Aber warum würden sie
zwei
Dämonen beschwören?«
Wolfgang verdrehte die Augen. Er hasste begriffsstutzige Menschen, vor allem, wenn er angespannt war. Und er war so angespannt wie vermutlich noch nie zuvor in seinem Leben. Sie waren noch nicht annähernd so weit von der Anlage entfernt, wie er sich wünschte, und er befürchtete, dass der Sieger-Dämon die Stadt noch mehr verwüsten würde, sobald der Kampf entschieden war. Er hatte definitiv keine Lust, das mitzuerleben.
»Sie haben nur einen beschworen«, erklärte Maria und rettete Wolfgang davor, selbst antworten zu müssen.
»Woher kommt dann der zweite?«
»Norwegen. Ich habe ihn dort einmal gesehen.«
»Was?«, fragte Wolfgang überrascht.
Sie nickte. Sie hatte ein Kopftuch über ihr nasses Haar gebunden,über ihre rechte Wange lief ein langer Schnitt, der langsam vor sich hinblutete. Ein paar Schürfwunden an Stirn und Schläfe zeugten davon, dass die Flutwelle ihr übel mitgespielt hatte. »Es war am Romsdalsfjord«, erklärte sie. »Der Dämon hat einen Bus attackiert, in dem ich saß. Als er zuschlug, rollte eine Flutwelle über uns hinweg. Der Bus wurde von der Straße gefegt, und ich wurde mehr oder weniger zufällig herausgeschleudert. Ich habe ihn kurz gesehen, als er gegen einen Druiden kämpfte, der mit im Bus gewesen war. Nicht lange. Aber da es nicht allzu viele Dämonen gibt, glaube ich, dass es der Gleiche war.«
»Würde passen«, meinte Tönnes. »Es könnte seine Flutwelle gewesen sein, die das hier angerichtet hat.« Seiner Stimme war nicht anzumerken, ob und wie sehr ihn das alles mitnahm. Wolfgang wüsste zu gerne, ob er tatsächlich so hart war, wie er mit seiner bulligen Figur und der Schlägervisage wirkte. Tönnes hatte Glück gehabt – als die Welle gekommen war, war er in einem Gebäude gewesen, er war über der Gürtellinie noch nicht einmal nass.
»Was haben Sie in Norwegen gemacht?«, hakte Wolfgang bei Maria nach.
»Ich suchte nach Stefan. Ich wollte Antworten auf meine Fragen. Als ich den Druiden sah, dachte ich, dass
er
sie mir vielleicht geben konnte. Dass uns der Dämon erwischt hat, war purer Zufall gewesen.«
Ein dumpfes Donnergrollen hallte die Straßen entlang. Hastig sahen sie sich um und konnten beobachten, wie die Dampfsäule binnen eines Augenblickes verpuffte. Dort, wo sie gewesen war, stieg in rasantem Tempo eine Rauchwolke in den Himmel, angefüllt mit Glut und Funken. Ein rötlicher Schimmer hing über den Gebäuden und wurde von der Wolkendecke reflektiert.
»Was zur Hölle ist das?«, fragte Maria.
»Das wollen wir nicht wissen«, murmelte Wolfgang und watete weiter. Er widerstand dem Impuls zu rennen, denn er befürchtete, dass er in dieser Nacht noch einen langen Weg zurücklegen musste. Sich jetzt zu verausgaben hatte wenig Sinn. Auf langenMärschen höhlte steter Tropfen den Stein, nicht ein intensiver, aber nur kurz anhaltender Wasserstrahl.
Zehn Minuten vergingen, in denen sie schweigend weiterwateten. Der Feuerschein am Himmel wurde heller, die Rauchwolke hinter ihnen größer und dichter. Der Regen hörte auf, und Wolfgang glaubte, einen Luftzug zu spüren, der ihnen entgegenkam und langsam stärker wurde. Endlich kam die Brücke in Sicht, wegen der Wolfgang genau diese Richtung eingeschlagen hatten – eine kleine, unscheinbare S-Bahnbrücke, die jedoch eines bedeute: einen erhöhten Bahndamm. Er atmete tief durch. Sie hatten es fast geschafft. Sie würden dreimal so schnell vorankommen, sobald sie nicht mehr im hüfthohen Wasser waten mussten.
Er sah sich noch einmal um und erschrak. Das Feuer breitete sich rasant aus. Ein paar Plattenbauten, an denen sie erst vor ein paar Minuten vorbeigekommen waren, hatten erste Brandnester in den Obergeschossen, die Gebäude am Straßenrand dahinter standen bereits in Flammen. Dichte Rauchwolken zogen in Richtung des Physikalischen Instituts und stiegen dort gemeinsam in den Himmel.
Nicht gut
, dachte Wolfgang bei sich.
Das ist gar nicht gut …
Jetzt beeilte er sich doch. Kraftvoll lehnte er sich gegen die Wassermassen und machte größere Schritte, doch der Gewinn an Geschwindigkeit war nur minimal. Er sah sich noch einmal um. Die Plattenbauten standen komplett in Flammen.
Weder seine Eile noch die rasch näher rückende Brandfront
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