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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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über ihnen, dann verschwand er schnell Richtung Norden.
    »Der Teufel«, meinte Stefan.
    »Der Teufel«, murmelte Wolfgang. In der Weltsicht der Kirche war der Dämon wohl so etwas wie der Teufel.
Abgesehen davon vielleicht, dass es mehr davon gibt …
    Schweigend sahen sie dem Monster hinterher. Die Sekunden wurden zu Minuten, in denen sie gespannt darauf warteten, dass der Dämon zurückkehrte. Doch es tat sich nichts.
    »Was tun wir nun?«, fragte Wolfgang.
    »Wir gehen nach draußen und schwimmen nach Süden zur Elbe«, antwortete der Inquisitor. »Das Feuer hat es hoffentlich nicht geschafft, sich auch auf das Südufer auszubreiten.« Seine Stimme war kalt und emotionslos.
Wie immer
, dachte Wolfgang, doch das war nicht wahr. Etwas war anders. Der Inquisitor wirkte
noch
kälter als sonst.
    »Maria?«, fragte er vorsichtig.
    »Tot«, war Stefans knappe Antwort. »Der Dämon hat sie gefressen.«
    Wolfgang nickte. Dann hinkte er ihm hinterher zur Haustür und stieg die Treppe hinab in das kalte Wasser. Die meisten der Gebäude um sie herum brannten, doch aus den wenigen, die bisher verschont geblieben waren, quollen Menschen, die ihnen ohne große Worte folgten. Wolfgang sah Soldaten unter ihnen und Jarle und ein paar, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Sie alle schienen zu glauben, dass Stefan und Wolfgang sie in Sicherheit bringen konnten.
    Er wünschte nur, er würde das selbst glauben.
    Stefan schwamm zügig voran, aber Wolfgang war ein guter Schwimmer, selbst mit einem verletzten Bein. Gemeinsam flohen sie durch die Straßen Hamburgs, vorbei an brennenden Häusern und treibenden Toten.
    In dieser einen Nacht hatte er den Krieg so intensiv erlebt, dasser sich plötzlich alt und müde fühlte.
Kriegsmüde
. Der Kampfgeist war aus ihm gewichen. Er schwor sich, wenn er tatsächlich lebend hier herauskam, würde er nicht noch einmal in den Kampf ziehen. Er hatte genug riskiert für sein Volk.
    Ich komme, Gudrun
, dachte er.
Ich komme. Und ich verspreche dir, dann bleibe ich bei dir!
    Er lächelte. Plötzlich erschien ihm ein Leben am Romsdalsfjord, mit Gudrun und ohne das Adrenalin seiner Kundschaftermissionen, sehr einladend.
     
    Ein Seufzer der Erleichterung ging durch das Rudel, als Mickey endlich das Signal zur Pause gab. Armstrong stieg breitbeinig über einen entwurzelten Baumstamm und legte sich mit dem Rücken darauf, den Blick starr in den Himmel gerichtet. Spider ließ sich halb in die Hecke sinken, der sie die letzten zehn Minuten gefolgt waren. Colt machte sich nicht einmal mehr diese Mühe, sondern ließ sich dort, wo er gerade stand, in den Dreck fallen.
    Keelin erspähte einen durch die Flutwelle halb aus der Erde gerissenen Grenzstein und setzte sich darauf. Fröstelnd zog sie den klammen Mantel enger um sich und starrte ins Leere.
    »Sieht aus, als ob wir es geschafft hätten«, kommentierte Mickey, als er ihr gegenüber in die Hocke ging.
    Keelin wandte den Kopf und starrte in Richtung der Stadt, in der noch immer der Brand tobte. Die Rauchwolke darüber war von hier aus deutlich zu sehen, ein dunkler Schlauch, der sich, nach Südosten hin verblasen, in den Himmel hinaufzog wie ein Fanal der Zerstörung. Die Regenwolken darüber schienen, von den Feuern in der Stadt angestrahlt, geradezu zu glühen.
    Was sollte sie nun tun? Sie hatte sich den Rattenmenschen angeschlossen, weil sie ihr die Chance geboten hatten, zu etwas dazuzugehören nach all der Einsamkeit und Verzweiflung des Elbwatts, und weil sie sich der Gefahr des von den Schatten hermetisch abgeriegelten Hamburgs alleine nicht gewachsen gefühlt hatte. Doch hatte sie nicht eigentlich einen anderen Entschluss gefasst? War ihrPlan nicht ein anderer gewesen, als sie die Schattenpforte nach Hamburg hinein durchschritten hatte?
    Doch,
gestand sie sich zähneknirschend ein. Es war kein schöner Plan gewesen, und ganz bestimmt kein ungefährlicher. Aber wenn sie das Leben eines gelehrt hatte, dann dass sie für sich selbst keine Erwartungen zu haben brauchte. Sie war eine Eibendruidin. Kein Ansehen, keine Freunde, nur Verachtung und Ablehnung. Der Gedanke verbitterte sie nicht einmal mehr sonderlich, etwas in ihr hatte sich damit abgefunden. Wenn das ihr Schicksal sein sollte, so konnte sie zumindest versuchen, das Beste daraus zu machen, wenn nicht für sich, dann doch zumindest für diese Welt. Sie warf noch einmal einen Blick in Richtung Hamburg.
Sie kann es offenbar brauchen, die Welt.
    » Ihr
habt es geschafft«, antwortete sie deshalb

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