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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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vergaß. Natürlich. Und gegen wen soll ich dort kämpfen?« Ihre Stimme troff vor Sarkasmus. »Vielleicht gegen die Nachkommen meines bösen Urururcousins zweiten Grades, die den Thron usurpiert haben?«
    Er schüttelte den Kopf. »Gegen die Kelten.«
    »Die Kelten. Ah.« Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Wer zum Teufel sind die Kelten?«
    »Ein Volk, ähnlich wie das der Germanen. Ihre Traditionen kennt man heutzutage vielleicht als schottische oder irische. Aber auch die Gallier waren Kelten, es gab Kelten in Spanien und der Türkei.«
    »Und was machen sie nun in Norwegen? Ist das nicht eines der germanischsten Länder überhaupt?«
    Wolfgang zog eine Grimasse. »Das war es. Aber seitdem wir den Krieg verloren haben, ist das anders.«
    »Den Krieg?«
    »Den Weltkrieg. Den Zweiten Weltkrieg, um genau zu sein. Die Germanen haben sich vom deutschen Expansionismus anstecken lassen und versucht, sich in einem riesigen, noch nie dagewesenen Feldzug ebenfalls auszubreiten. Wir haben gegen jeden gekämpft, in bester deutscher Tradition.« Seine Stimme wurde bitter, als erdas sagte. »Wir haben gegen die Kelten im Westen gekämpft, gegen die Slawen im Osten, gegen die Römer im Süden und die Finnen im Norden. Wir waren Narren, völlig verblendet von den Reden Hitlers. Wir glaubten wirklich daran, dass wir die Herrenrasse waren.«
    »Und ihr habt verloren.«
    »Natürlich haben wir verloren.« Wolfgang grinste, als er das sagte, doch er wurde schnell wieder ernst. »Nur dass die alliierten Stämme nicht so nett waren wie die Alliierten der Außenwelt. Sie hatten genug von den Jahrtausende währenden Spannungen und Konflikten zwischen unseren Völkern. Sie haben uns ausgelöscht. Sie haben unser Volk versklavt, unsere Jarle getötet, unsere Traditionen verboten. Sie haben die Außenwelt nach uns durchkämmt und versucht, auch den letzten Germanen auszuradieren.«
    Veronika nickte bestürzt. »Deshalb ist mein Großvater noch zwei Monate nach dem Waffenstillstand getötet worden …« Auf einmal ergab alles einen Sinn.
    »Ja. Sie waren gnadenlos. Allerdings muss man fair bleiben: Wenn wir gewonnen hätten, hätten wir wahrscheinlich das Gleiche gemacht. Und natürlich haben wir den Krieg angefangen.«
    »Und nun wollen wir das Gleiche wieder machen«, dachte sie laut nach. »Wie kommt es, dass wir überhaupt überlebt haben?« Ihr fiel mit Schrecken auf, dass sie bereits von »wir« sprach. Nicht so sehr jedoch, wie sie erwartet hätte – es fiel ihr irgendwie nicht sonderlich schwer, Wolfgangs Geschichten zu glauben.
    »Nun, diejenigen, die die Jagd überlebt haben, waren die Erfahrensten und Gerissensten von allen. Sie sind im Untergrund geblieben, für Jahre und Jahrzehnte, haben nach erwachenden Germanen gesucht, sind in ihren Träumen erschienen und haben sie auf diese Art und Weise rekrutiert und um sich geschart. Sie haben sie ausgebildet und gelehrt. Wir hatten fünfzig Jahre Zeit, uns zu erholen. Jetzt sind wir stark genug, um zurückzuschlagen.«
    »Kaum erholt vom letzten Krieg, schon wieder bereit für den nächsten.« Veronika nickte mit skeptischer Miene. »Ja, ich glaube, ich verstehe, warum die Kelten uns auslöschen wollten …«
    Wolfgang warf ihr einen bösen Blick zu. »Spotte nicht!«
    »Ich bin todernst«, erwiderte Veronika.
    Wolfgangs Miene blieb skeptisch. »Wie dem auch sei«, erklärte er, »die Leute, die du hier in diesem Teil des Lagers siehst, werden mit dir nach Norwegen gehen. Es sind deine Leute. Du wirst für sie verantwortlich sein. Du wirst über sie Recht sprechen, sie einteilen, ausbilden, befördern, in die Schlacht führen – alles. Du bist ihr Herr.«
    »Herrin«, korrigierte sie ihn, doch ohne Enthusiasmus. Sie kannte es nur zu gut vom Sprachgebrauch der Bundeswehr, wo man Rangbezeichnungen auch nicht auf weibliche Bedürfnisse umschrieb. Sie sah sich um.
    Ein paar Frauen saßen neben dem Weg und spannen Wolle. Ein Mann stand ihnen gegenüber an einem funkenschlagenden Schleifstein und schliff Messerklingen. Ein paar Kinder bemalten runde Schilde mit schwarzer Farbe. Veronika sah keinen Unterschied zum Rest des Lagers.
    »Frauen und Kinder auch?«, fragte sie vorsichtig.
    Wolfgang nickte. »Wir sind nicht nur Soldaten, Gudrun. Wir sind ein Volk. Wir wollen diese Gebiete nicht aus Gier erobern. Wir möchten nur einen Platz zum Leben.«
    »Und dafür nehmen wir anderen ihren Platz weg«, erwiderte Veronika unbewegt.
    Wolfgang verdrehte die Augen – eine Mimik, die er offenbar

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