Schattensturm
damit, ein treffender Name?«
»Nun ja. Du kennst doch die Geheimnisse des Kämpfens, oder? Das Geheimnis des situativen Bewusstseins, der telepathischen Kommunikation, des Instinkts für Gefahren …«
Für einen Moment stutzte Veronika. Zwei dieser drei »Geheim nisse « kannte sie tatsächlich, wenngleich sie sie bisher salopp als »Kampfsinn« und »Gefahrensinn« bezeichnet hatte. Doch war es so überraschend, dass er davon wusste? Schließlich war er ihr Traum und konnte damit alles wissen, was sie selbst wusste.
»So«, meinte sie mit honigsüßer Stimme. »Und wie endet die Geschichte?«
Ihre Frage schien ihn auf dem falschen Fuß zu erwischen. »Was?«, fragte er perplex.
»Na, ich wundere mich, was passiert, wenn ich wieder in das Haus gehe und mich hinlege. Ich wäre sowieso verrückt, einem Traum zu glauben!«
»Äh … Das kannst du nicht machen!«
Sie lächelte ihn an. »Und warum nicht?«
»Weil ich mehrere Tage lang hier auf dich gewartet habe vielleicht? Weil ich Dinge weiß, die du auch wissen solltest? Weil es einfach nur unhöflich wäre, mich jetzt hier sitzen zu lassen!«
Veronika musste aufpassen, um nicht über seine halb empörte, halb verzweifelte Stimme lachen zu müssen. »Ich glaube nicht, dass du Dinge weißt, die ich wissen sollte.«
»Natürlich!«
»Wenn du mir das beweisen kannst, bleibe ich hier.« Ein Lächeln huschte über Wolfgangs Gesicht. »Oder komme zumindest morgen zurück.« Das Lächeln verschwand wieder.
»Beweisen? Wie soll ich das denn beweisen?«
Veronika zuckte mit den Schultern. »Lass dir was einfallen.«
Wolfgang grübelte kurz. »Aber wenn ich das richtig verstanden habe, glaubst du mir doch sowieso nicht, wenn ich dir etwas erzähle …«
»Du könntest versuchen, glaubwürdiger zu sein!« Ihre Stimme war immer noch zuckersüß.
»Das ist nicht fair!«
»Gute Nacht, Wolfgang!«
»Warte!« Er rieb sich an der Schläfe. »Ich … ich kann dir sagen, wer dich morgen abholen wird. Würdest du mir dann glauben?«
Veronika hielt inne. »Wenn es nicht gerade Sven Lukas ist … Warum nicht?«
»Nein, nicht Sven Lukas. Du wirst abgeholt werden von einem jungen Mann namens Armin. Er wird einen Jeep fahren.«
»Na, da bin ich aber mal gespannt.« Sie wandte sich um und ging nach drinnen.
»Das ist nicht nett!«, hörte sie seine Stimme hinter sich, ein bisschen empört und etwas traurig.
»Gute Nacht, Wolfgang!«, rief sie noch einmal nach draußen. Dann schloss sie den Reißverschluss an ihrem Schlafsack und legte sich hinein. Sie war im Nu wieder eingeschlafen.
Das hartnäckige Getute einer Autohupe weckte sie. Sie schlug die Augen auf und blinzelte in die Sonne, deren Strahlen durch die Fenster in den Saal fielen. Sie kroch aus dem Schlafsack und sah nach draußen. Ein Range-Rover-Geländewagen stand auf dem Schotterweg zu den Garagen hinter dem Haus. Der Fahrer hatte die Tür offen stehen und sich nach draußen gelehnt. Seine Hand war offenbar noch immer in Reichweite der Hupe.
Ihr Blick ging instinktiv zum Kennzeichen, doch es war weder eine Bundeswehr- noch eine Behördennummer. Sicher konnte sie nicht sein, immerhin gab es auch zivile Nummern bei Polizei und Bundesgrenzschutz, aber sie schätzte, dass diese mit mehr als nur einem Fahrzeug gekommen wären, wenn sie gewusst hätten, dass sie hier war, immerhin war sie eine Mörderin. Sie winkte kurznach draußen, schlüpfte in ihre Kleidung und verließ das Gebäude.
Der Mann sprang aus dem Jeep, als sie auf ihn zukam. Er war groß, dürr und jung und erinnerte Veronika nur zu sehr an die Gefreiten, die unter ihr gedient hatten. Seine Haare waren blond und kurz, sein rosiges Gesicht hatte noch keine Rasur nötig. »Guten Morgen«, begrüßte er sie. »Ich bin hier, um Sie abzuholen. Armin Scheitel ist mein Name.«
Sie starrte ihn für einen Augenblick lang erschrocken an.
Armin …
Das hatte sie heute Nacht noch nicht wissen
können
! Sie spürte, wie sich die Härchen in ihrem Nacken aufstellten. Hatte sie dieser Wolfgang tatsächlich in ihrem Traum besucht? Als sie ihm ihren eigenen Namen sagen wollte, stockte sie erneut. Immerhin war sie als Veronika Wagner wegen zweifachen Mordes gesucht – mindestens! Sie ergriff seine angebotene Hand zögerlich und überraschte sich selbst damit, als sie sich mit »Gudrun« vorstellte.
»Sehr erfreut. Wenn Sie bitte einsteigen würden …«
Veronika kletterte auf den Beifahrersitz und schnallte sich an. Armin wendete das Fahrzeug geschickt und
Weitere Kostenlose Bücher