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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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25. April 1999
    Die Außenwelt
     
     
    Mittlerweile war es Abend geworden, und die Sonne war bereits hinter den Baumkronen versunken. Über ihnen malten Flugzeuge rosa Streifen in den abendroten Himmel. Ein lauer Wind blies, doch es war warm genug, dass man nicht frieren musste. Die ersten Sterne waren schon aufgegangen.
    Das Fest war bereits in vollem Gange. Ein ganzer Bulle und mehrere Schweine garten am Spieß über großen Feuern und verbreiteten leckeren Bratengeruch, an den Bänken floss das Bier reichlich, und die Musiker gaben sich allerbeste Mühe, ihren Teil dazu beizutragen, die Ereignisse des Tages möglichst schnell in Vergessenheit geraten zu lassen. Sie spielten mit Schalmeien, Lauten und Tamburinen, und der alte, bärbeißige Trommler, der die Musiker anführte, bot in unregelmäßigen Abständen mit tiefer Bassstimme eine zotige Gesangseinlage. Am besten jedoch war der einfältige Schmied Gotast, der sich als wahrer Meister der Maultrommel entpuppte und mit seinen sonderbaren Klängen die Leute zum Toben brachte. Dabei hatten die Musiker selbst offenbar am meisten Spaß: Ihre Gesichter waren verschwitzt vor Anstrengung, ihre Wangen gerötet vom Freibier, ihr Gehabe überschwänglich fröhlich. Eine Stunde spielten sie nun, und die ganze Stunde lang nur schnelle Stücke. Es wurde getanzt und gesungen, gelacht und gebalgt, und natürlich wurde gesoffen, was die Fässer hergaben.
    Kurzum, bisher war es ein voller Erfolg. Zugegeben, ein Erfolg, der Veronika einiges kosten würde, früher oder später. Sie würde die Vorräte, die sie hier aufbrauchen ließ, bezahlen müssen, undzwar mit den »Steuern«, die sie von ihren Leuten bekam. Doch wenn die Männer dadurch besser über den Schock hinwegkamen, war es ihr das zehnmal wert.
    »GUDRUUUN!«, rief jemand grölend, und sofort stimmte ein ganzes Dutzend weiterer Stimmen mit ein. »GUDRUUUUN!«
    Veronika verdrehte mit einem Lächeln die Augen, erhob sich dann von ihrem Platz am äußersten Ende eines Tisches am Rand des Festplatzes. Sie kletterte auf die Bank, taumelte ein wenig, hob dann ihren Krug, so dass ihn alle sehen konnten, setzte ihn an und trank unter dem Johlen der Menge. Dann wischte sie sich mit dem Ärmel die danebengegangene Flüssigkeit vom Mund und setzte sich wieder, mit hochrotem Kopf und einem idiotischen Grinsen auf den Lippen.
    Nur ihre Hauptmänner, mit denen sie zusammen saß, wussten, dass nur Wasser in ihrem Krug war. Das Bier, das man ihr anfangs eingeschenkt hatte, hatte sie bereits in der ersten Viertelstunde leeren müssen; seitdem war sie leicht angeschwippst und vorsichtig geworden. Wenn sie jedes Mal, wenn sie von den Männern zum Trinken aufgefordert wurde, Alkohol getrunken hätte, wäre sie inzwischen so besoffen, dass sie ihren eigenen Namen nicht mehr gewusst hätte.
    Im Zuge des Scheingefechtes und der vorangegangenen Stunden hatte sie drei neue Hauptmänner ernannt: Rolf war ein kräftiger, großgewachsener Mann, der in der Nacht seine Schildwallpartei auf den bevorstehenden Kampf eingeschworen hatte. Ludovic war etwas kleiner, aber noch massiger und genoss großen Respekt unter den Männern. Beide waren ihr auch am Nachmittag aufgefallen. Ingomar schließlich war der Mann, der sich in den Arm geschnitten und somit schließlich den Angriff eingeleitet hatte. Nur bei zweien ihrer bisherigen Hauptmänner hatte Veronika keinen Grund gesehen, sie abzulösen: Svein war ein hagerer Mann und schon etwas älter, mit taktischem Geschick und Übersicht, Ugo dagegen war klein und dünn, aber trotzdem ein Wortführer, dem die Männer zuhörten, wenn er etwas sagte.
    »Okay«, erklärte sie und klopfte mit ihrem Krug auf den Tisch, um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. »Ich erzähle euch jetzt, was ich von euch erwarte.« Die Männer, die zuvor noch gealbert und gelacht hatten, wurden plötzlich ernst. Ein gutes Zeichen, es sprach dafür, dass sie Veronikas Position als Anführerin anerkannten. »Ich weiß, dass ihr alle hart arbeiten müsst. Das muss auch so sein. Wenn wir erst einmal in Midgard angekommen sind, werden wir alle Hände voll zu tun haben, uns zu behaupten. Zum Lernen ist dann keine Zeit mehr, also seht zu, dass eure Leute jetzt noch so viel wie möglich lernen. Setzt sie unter Druck, aber nicht so, dass sie blockieren. Verschafft ihnen den nötigen Ansporn, was auch immer das bei jedem einzelnen ist. Motiviert sie!« Veronika trank einen Schluck von ihrem Wasser und fuhr dann fort: »Aber zusätzlich zu den

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