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Schattensturm

Schattensturm

Titel: Schattensturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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Schildwällen sahen auf, als sie den Fürsten aus dem Wald reiten sahen. Einige von ihnen waren erschrocken, anderen trat plötzlich Hoffnung in die Augen. Keiner jedoch wagte es, seine ganze Aufmerksamkeit auf die Neuankömmlinge zu lenken. Das Misstrauen war da, der ständige, wachsame Seitenblick auf die andere Seite der Moorsenke. Verdammt, aber in den beiden Reihen herrschte Angst. Gudrun schien nicht gelogen zu haben. Die Männer dort rechneten
wirklich
damit, dass sie sich gegenseitig töten mussten! Na, zum Glück waren sie jetzt hier, um der ganzen Sache Einhalt zu bieten!
    »Männer!«, schrie Fürst Herwarth, doch selbst jetzt achteten die Krieger noch immer mit einem Auge auf ihre Gegner. Wolfgang konnte es ihnen nicht übelnehmen. Herwarth brüllte weiter: »Ich habe gehört, was hier vor sich geht!« Er wartete, bevor er weiterschrie: »Und ich muss sagen, ich bin sehr enttäuscht! Ihr habt einen Befehl, Männer, und wenn euch eure Herrin etwas befiehlt, dann ist es eure Pflicht, diesen Befehl auch auszuführen!«
    Wolfgang war wie vom Donner gerührt. Sein Mund klappte nach unten, seine Augen waren schreckgeweitet.
Was bei allen Eisriesen …?
War nicht Herwarth genauso erschrocken gewesen wie er, als der Junge von Gudruns Plan berichtet hatte? Was hatte sie vorhin mit ihm besprochen, als sie ihr Zwiegespräch gehalten hatten? Hatte sich der Fürst etwa von ihrem törichten Plan überzeugen lassen? Er schüttelte fassungslos den Kopf und lenkte sein Pferd nach vorne. Er musste mit Herwarth sprechen, er konnte nicht zulassen, dass sich hier ein Unglück ereignete, das sie nie wieder gutmachen konnten!
    Doch Herwarth war noch nicht fertig. »Bald ziehen wir gegen den Feind!«, schrie er. »Bald werdet ihr erneut in einem Schildwall stehen, und dann werdet ihr erneut den Befehl erhalten anzugreifen! Ich möchte, dass ihr für diesen Tag gewappnet seid, also los! Auf, auf! Die Schilde hoch! Die Schwerter bereit! Und ran an den Feind!«
    »Aber«, stammelte Wolfgang, »aber, sagtet Ihr nicht selbst …«
    »Sieh hin«, meinte Herwarth nur. »Es ist eine wichtige Lektion, die wir hier lernen.«
    Die Männer in den Schildwällen rührten sich nicht. Oder besser, sie rührten sich zwar, aber nicht so, wie es Wolfgang erwartet hätte. O ja, sie hatten ihre Schilde angehoben, und ja, auch ihre Schwerter, aber von einem
Ran an den Feind
waren sie meilenweit entfernt. Angst stand in ihren Gesichtern, furchtbare Angst. Sie rechneten tatsächlich damit, dass es zum Kampf kommen würde, es gab hier nicht etwa ein stillschweigendes Abkommen, die Befehle zu ignorieren. O nein!
    Und trotzdem passierte nichts. Oder zumindest nicht viel. Zwei oder dreimal versuchte einer, davonzugehen, die Sache abzubrechen, wurde aber jedes Mal von den eigenen Gefährten zurückgehalten, aus Angst, gegenüber dem Gegner schwächer zu werden. Dann und wann versuchte ein Krieger, seine Gefährten anzustacheln, endlich anzugreifen und die Sache zu Ende zu bringen. Einmal lösten sich sogar aus dem linken Schildwall ein paar Männer und stapften in den Sumpf, kehrten aber schleunigst zurück, als sie bemerkten, dass ihnen niemand folgte. Und so warteten sie. Aus Augenblicken wurden Minuten, aus diesen schließlich Stunden.
     
    Als am späten Nachmittag immer noch nichts passiert war, war Wolfgang des ganzen Schauspiels langsam überdrüssig. Klar, er wollte auf keinen Fall, dass sich hier Germanen gegenseitig die Köpfe einschlugen, aber irgendwie hatte er auch keine Lust, sich hier zu Tode zu langweilen. Er ertappte sich tatsächlich bei dem Wunsch, die beiden Seiten würden die Sache zu Ende zu bringen, damit sie hier endlich fort könnten, und schämte sich im gleichen Moment dafür. Vor etwa einer halben Stunde hatten die beiden Parteien damit begonnen, sich gegenseitig zu beschimpfen, doch ihr Einfallsreichtum war begrenzt, und Wolfgang hatte die meisten ihrer Flüche und Schimpfworte bereits gehört.
    Schließlich jedoch fiel ihm auf, dass mit den Beschimpfungen auch ihre Aggressivität langsam stieg. Die Haare in seinem Nacken stellten sich zu Berge, als sich einer der beiden Schildwälle plötzlich selbst zujubelte und die Waffen drohend nach oben reckte. Es verwunderte ihn kaum, dass die Männer auf der Gegenseite zurückwichen, ohne dass auch nur ein Mann seinen Fuß in das Schilf gesetzt hatte. Dafür begann nun auf dieser Seite ebenfalls einer damit, seine Leute anzufeuern, bis schließlich auch sie schrien und mit den

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