Schattensturm
zurückbekommen. Als meine Hauptmänner steht euch insgesamt ein Drittel von dem zu, was wir im Kampf gewinnen. Aber für dieses Drittel erwarte ich einfach von euch, dass ihr euch mehr anstrengt als die anderen. Wenn wir den Aufstand gewinnen, werdet ihr reich sein. Das sollte es euch wert sein.«
Ugo wandte seinen Blick zum Bierkrug, starrte ihn nachdenklich an, trank ihn schließlich leer und stellte ihn hart zurück auf den Tisch. »So gesehen …«
Etwas weiter tischabwärts war gerade ein Trinkhorn umgekippt und ergoss seinen Inhalt quer über den Tisch. Der Mann, dem es gehörte, hatte noch gar nichts davon mitbekommen und unterhielt sich mit schwungvollen Gesten mit der Frau neben ihm, während das Bier langsam in seinen Schoß rann. Sein Gesicht, alser plötzlich die Feuchtigkeit in seiner Hose bemerkte, war so köstlich, dass Veronika prustete vor Lachen.
»Woher habt Ihr eigentlich so viele Tipps zur Ausbildung von Kriegern?«, fragte Rolf plötzlich. »Ihr seid doch viel kürzer hier als wir und wisst schon so viel … Wart Ihr bei der Polizei?«
Veronika schüttelte den Kopf. »Bundeswehr.«
»Bundeswehr?« Ludovic war überrascht. »Das habt Ihr aber nicht bei den Sanitätern gelernt!«
»Da war ich aber auch«, schmunzelte Veronika. Gleich würde die Frage kommen, wo noch. Als Frau hatte sie eigentlich bei der kämpfenden Truppe nichts zu suchen gehabt …
»Auch?« Ludovic schnappte nach dem Köder. »Wo wart Ihr dann noch?«
»Die meiste Zeit war ich bei den Fallschirmjägern.« Veronika wurde bewusst, wie die Gespräche um sie herum verstummten. Männer stießen einander an, um sich auf die Unterhaltung aufmerksam zu machen. Sie konnte regelrecht spüren, wie die Ohren ihrer Nachbarn gespitzt wurden.
»Fallschirmjäger?«, mischte sich ein etwa Zwanzigjähriger in das Gespräch ein, der neben Ludovic auf der Bank saß. »Die nehmen da doch keine Frauen!«
»Sei still, wenn sich deine Vorgesetzten unterhalten!« Ludovic klopfte ihm mit der Handfläche auf die Stirn. Doch auch sein Blick sagte aus, wie gespannt er auf die Antwort wartete.
»Nun, für mich haben sie eine Ausnahme gemacht, nachdem ich mir meine erste Feldbeförderung verdient hatte.«
»Feldbeförderung?«, fragte Ugo. »Die gibt es nicht so einfach. Jetzt erzählt doch endlich, woher Ihr die habt und was vorgefallen ist! Wir
platzen
ja alle vor Neugier!«
Veronika lief etwas rot an, als sie die geballte Aufmerksamkeit auf sich lasten spürte. Doch irgendwie war es auch angenehm. Es war lange her, dass sie so im Mittelpunkt gestanden hatte.
»Es war in Somalia«, erklärte sie. »Mogadischu, im Oktober dreiundneunzig. Vielleicht erinnert sich jemand daran? Seit einundneunzigherrschte Bürgerkrieg, und seitdem gab es diese schlimme Hungersnot. Die UNO schickte unter der Führung der Amerikaner Hilfstruppen hin. Die Deutschen waren auch dort, vor allem als Fernmelder, Sanitäter und Pioniere. Die Lage verschlechterte sich, die UNO stattete den Befehlshaber mit mehr und mehr Vollmachten aus. Ich kam mit meiner Einheit nach Beledweyne, eine Stadt im Hinterland Somalias. Dort haben wir Verwundete der UNO-Truppen versorgt, die Pioniere haben Trinkwasser aufbereitet. Dann aber ist es ruppiger geworden, und die Amerikaner baten uns um Unterstützung in Mogadischu. Also haben wir eine Truppe dorthin geschickt, mitten in die Stadt. Und es ging gut. Wir waren nur hundert Mann oder so, ein Zug Fallschirmjäger zur Bewachung, der Rest Sanitäter und Ärzte. Die Aufständischen ließen uns in Ruhe. Lag wahrscheinlich daran, dass unser Kommandant befohlen hatte, niemanden abzuweisen, der kam.« Veronika musste lachen. »Wir haben wahrscheinlich zu Hause die größte Rechnung gestellt, die jemals ein Sanitäterverband im Ausland produziert hat. Wir haben wirklich
alles
versorgt. Wir waren beliebt!« Sie nahm einen kräftigen Schluck Wasser, um sich die Lippen zu befeuchten. Ihr Mund fühlte sich staubig an bei der Erinnerung an Somalia. Sie warf kurz einen Blick in die Runde. Verdammt, konnte es wirklich sein, dass ihre Geschichte die Männer so fesselte? Bisher hatte sich nie jemand dafür interessiert! »Naja, und dann kam der Oktober. Die Amerikaner haben schon die ganze Zeit Einsätze in der Stadt durchgeführt, immer mit Hubschraubern rein, abgeseilt, etwas gekämpft, dann wieder raus. Aber im Oktober ist einer ihrer Einsätze schiefgelaufen. So richtig schiefgelaufen. Die Somalis haben zwei ihrer Helikopter über der Stadt
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