Schattensturm
Kommando gestorben war. Sie hatten ihn gefunden, als sie auf dem Rückweg den Kamm hinabgestiegen waren. Er hatte sich wohl auf seiner panischen Flucht das Genick gebrochen. Septus hatte Baturix deshalb keine Vorwürfe gemacht, und auch Diviciacus, zu dessen Gefolge Lobixletztendlich gehört hatte, hatte es akzeptiert, ohne eine Forderung nach Bestrafung auszusprechen. Trotzdem hatte der Mann unter Baturix’ Befehl gestanden. Es war seine Verantwortung.
Auch die anderen Krieger in seinem Zelt hielten still. Baturix wusste, dass zumindest ein paar von ihnen wach waren. Veroclöts aufdringliches Geschnarche fehlte, und Liscorix, der neben ihm lag, war zu unruhig. Ihnen gingen ganz ähnliche Gedanken durch den Kopf, da war er sich sicher. Hatten die Schatten begonnen, Wikingerboote nachzubauen? Oder gab es überlebende Germanen in der Gegend? Wenn ja, konnten auch anderswo welche überlebt haben. Wie viele es wohl sein konnten?
Er schreckte hoch, als sich jemand am Zelteingang zu schaffen machte, ein Mann mit einer Lampe, wie es schien. Baturix griff nach dem Messer, das er nach ihrer Rückkehr zurechtgelegt hatte.
»Wer ist da?«, zischte Hastus. Noch einer, der nicht schlafen konnte.
»Septus.« Der Zelteingang wurde zur Seite geschoben. Septus ging davor in die Hocke und stellte eine Öllampe vor sich. Das Flackern der Dochtflamme ließ die Schatten am Zeltdach tanzen. »Baturix, bist du wach?«
»Ja.« Er legte das Messer zur Seite und setzte sich auf.
Septus warf ihm einen Beutel zu, doch die Bewegung erschreckte Baturix so sehr, dass es ihm nicht mehr gelang, ihn zu fangen. Der Beutel prallte schwer gegen seine Brust und fiel klimpernd auf die Decke.
»Ich habe meinen Anteil bereits genommen, teile den Rest auf, wie es sich gehört. Du bist ihr Anführer.«
Was bedeutete, dass er sich die Hälfte des Geldes darin nehmen durfte – er hatte nicht das Gefühl, es sich
verdient
zu haben, nach Lobix und alledem. Doch auf der anderen Seite musste er auch an seine Familie denken … Er schnürte das Lederband auf und sah hinein.
Goldmünzen blinkten ihm entgegen. Große, plumpe Goldmünzen.Er hörte, wie seine Männer erschrocken den Atem anhielten. Erwartungsvoll sah er zu Septus.
»Dieses Gold ist dafür«, erklärte der Gardist, »dass das, was wir heute gesehen haben, ein Geheimnis bleibt. Der Befehl kommt von der Spinne persönlich. Niemand von euch wird auch nur ein Sterbenswörtchen darüber verlieren. Das Gold ist die Belohnung für euer Schweigen.« Er ließ eine kurze Pause. »Wenn die Spinne erfährt, dass einer von uns gesungen hat, dann baumeln wir wahrscheinlich alle. Also nehmt das Gold und haltet eure verdammten Fressen. Habt ihr es schon jemandem erzählt?«
Niemand antwortete. Tausend Gedanken schossen durch Baturix’ Kopf. Sie waren trotz der späten Stunde noch einigen Kriegern über den Weg gelaufen. Er versuchte, sich daran zu erinnern, welcher seiner Leute mit wem gesprochen hatte, und stellte fest, dass er es nicht wusste. Er hatte nicht erwartet, dass es wichtig sein könnte …
»Niemand? Gut. Sorgt dafür, dass es so bleibt.« Damit griff Septus nach seiner Öllampe, zog den Zelteingang zu und stapfte davon. Das Licht seiner Lampe schaukelte noch etwas auf ihrem Zeltdach und wurde langsam schwächer.
»Morgen«, erklärte Baturix in das erwartungsvolle Schweigen seiner Männer. Er hatte kein Licht und wollte das Gold nicht bei Dunkelheit verteilen. Er hatte keine Lust, sich Betrugsvorwürfe anhören zu müssen. Er steckte den Beutel in seinen Schlafsack und drehte sich zur Seite. Die anderen warteten noch kurz, dann schienen sie seinen Entschluss zu akzeptieren, denn sie begaben sich ebenfalls wieder in Schlafposition.
Doch Baturix war nur noch wacher als zuvor. Er hätte erwartet, dass die Nachricht über das Wikingerboot im Lager die Runde machen würde wie ein Lauffeuer. Warum unterdrückte sie Cintorix?
Er seufzte. Er hatte die Ränke und Intrigen seines früheren Herrn langsam mehr als satt …
KEELIN
Callanish, Isle of Lewis, Schottland
Dienstag, 18. Mai 1999
Die Außenwelt
Ein Sturm tobte über der Isle of Lewis. Dunkle, graue Wolken zogen mit atemberaubender Geschwindigkeit über das Land, während ein böiger Wind Regenschauer um Regenschauer aus den Wolken riss. Es war 11:30 Uhr, doch es war so zwielichtig, dass es mehr nach Dämmerung aussah als nach Mittag. Der Sturm pfiff um den Bus und blies durch alle seine Öffnungen.
Keelin saß in der
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