Schattentänzer
und Krächzen. Bleichling lag am Boden, aus seinem Mund strömte purpurrotes Blut. Der Verstand war in seine Augen zurückgekehrt und mit ihm das Entsetzen, als er sich seines nahenden Todes bewusst wurde. Kaum bemerkte er mich, da verzog er die Lippen zu einem spöttischen Grinsen – und starb.
Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, stieß ich bei meiner nächsten Runde nicht mehr auf Rolios Leiche. Unwillkürlich warf ich einen Blick in den Spiegel und blieb wie angewurzelt stehen. Er spiegelte mich.
Ein behaglicher Raum. Ein massiver Tisch, Stühle mit geschnitzten Lehnen und ein tiefer Sessel am Fenster. An der Wand ein Gemälde, das Sagoth zeigte. Der Tisch bog sich unter Tellern mit Essen und Weinflaschen. Ein Mann saß daran und verschlang ein Hühnchen. Er hob den Blick und fasste mit seiner Pranke nach der Weinflasche. »He, Kleiner! Worauf wartest du?« For winkte mich herbei. »Iss, bevor es kalt wird!«
Verwundert sah ich ihn an.
»Was ist, Garrett? Steh da nicht rum wie angeschmiedet. Unser kleines Geschäft hat uns ein hübsches Sümmchen eingebracht, das muss doch gefeiert werden.«
Ich sprang vom Spiegel zurück wie von einem Pestkranken. Beim H’san’kor! Aber ich werde doch nicht auf ein Trugbild hereinfallen?! For! Mein alter Lehrer! Nur dass er längst nicht mehr in Awendum weilte! Kurz nach mir hatte auch er unsere Hauptstadt verlassen und sich nach Garrak begeben. Dort war es ungefährlicher.
Ich ging weiter.
Ein Sommerabend, die Sonne sank. Das ist immer ein Schauspiel, vor allem aber von einem Hügel aus. Im Tal gab es einen Fluss, dessen Wasser in der untergehenden Sonne die Farbe geschmolzenen Kupfers annahm. Lauer Wind wehte mir ins Gesicht und trug den Geruch von Wasser, Ahorn und Rauch heran.
Unter einem mächtigen Baum brannte ein Lagerfeuer, über dem ein Kessel brodelte. Von ihm ging ein köstlicher Duft nach Fischsuppe aus. Am Feuer saßen drei Männer. Der älteste von ihnen, dessen Bart bereits das Grau eines Schaffells zeigte, rührte emsig mit einer Holzplanke in der Suppe. Die beiden anderen, ein kahl geschorener Soldat mit einer Narbe auf der Stirn und ein stämmiger Mann mit eigenwilligem Bart, würfelten und warfen sich dabei verschmitzte Blicke zu. Hinter dem Baum trat ein vierter Mann hervor. In einer Hand hielt er ein Netz, in der anderen einen Hecht.
»Guter Fang, Marmotte«, meinte Arnch.
»Bei Sagra, du hast schon wieder gewonnen!« Kater schüttelte ungläubig den Kopf. »Das Pech will heute nicht von meiner Seite weichen! Ohm, wann bekommen wir was zwischen die Kiemen?«
»Wenn alle da sind«, brummte dieser.
»Das ist nicht dein Ernst!«, stieß Marmotte aus und warf den Hecht und das Netz ins Gras. »Vorher sind wir doch zehnmal verhungert!«
»Garrett ist schon da«, sagte Arnch und stand auf. »Willst du für immer bleiben oder besuchst du uns nur kurz?«
»Letzteres«, presste ich heraus.
»Magst du was von der Fischsuppe, Garrett?« Ohm kostete die Suppe, schmatzte zufrieden und nahm den Kessel vom Feuer.
»Ihr seid tot«, sagte ich ihnen völlig überflüssigerweise.
»Ich bin lebendiger als alle Lebenden und will endlich was futtern«, knurrte Kater. »Was ist jetzt mit dir?«
Ich schüttelte den Kopf und zog mich vom Feuer zurück.
»Na, wenn du keinen Hunger hast, dann fangen wir eben schon mal an. Geh zurück zu den anderen! Wie lange sollen wir eigentlich noch auf sie warten?«
Ich nickte und wich immer weiter zurück. Das war nur ein Traum! Das war nicht meine Welt! Darin lebten meine Freunde und dachten gar nicht daran zu sterben.
»He, Garrett! Richte Hallas aus, dass es hier was Anständiges zu essen gibt!«, schrie mir Ohm hinterher, als das Bild im Spiegel bereits verschwamm.
Dann sah ich Lathressa. Sie stand zehn Yard von mir entfernt und blickte in den Spiegel. Ich griff nach dem Messer.
»Wuchjazz ist ein kluger Dämon!« Mein alter Bekannter wuchs aus der Wand heraus und packte mich.
»Lass mich los!« Ich zog ihm das Messer über die Pfoten.
»Niemand spricht so mit mir!«, empörte sich der Dämon und hüllte mich in das Aroma einer Latrine ein. »Wuchjazz ist ein sehr kluger Dämon!«
»Aber Varrthaufhand ist noch viel klüger!«
»Ich sauge dir das Mark aus den Knochen!«
»Dreh dich mal um!«
Kaum tat er das, da trat ich zurück – und aus dieser Welt heraus.
Lathressa riss sich vom Anblick des Spiegels los, bemerkte mich und verengte die Augen zu Schlitzen. Dann machte sie ein paar Schritte, um erneut in
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