Schattentänzer
seinen Ton an.
»Und ich hatte schon gedacht, bei dir sei endgültig Hopfen und Malz verloren«, frohlockte er. »Aber keine Sorge, du wirst ein großes Stück einer sehr großen Torte bekommen.«
»Was müssen wir machen?«
»Nichts. Wie gefällt dir das? Ein Haufen Gold einfach dafür, dass du die Hände in den Schoß legst.«
»Da bin ich dabei.« Diesmal war es leicht, ihn nachzuahmen.
»Bestens! Dann lass diese dämliche Tröte doch hier – und wir werden mit Gold überhäuft.«
»Sicher?«
»Alles ist schon ausgemacht.«
»Und wer ist der Auftraggeber?«
»Ein stiller Beobachter, um es mal so auszudrücken.«
»Im Grunde hätte ich nichts dagegen, nur mein Kontrakt …«
»Du bist doch wohl nicht etwa abergläubisch?! Vergiss den Kontrakt! Also, was ist, bist du einverstanden?«
»Ja.« Ich nickte, worauf sich mein Spiegelbild entspannte. »Aber erst muss ich dir noch was sagen.«
»Was denn?«
»Ich hab vorhin doch behauptet, dass es mir keinen Spaß macht zu töten.«
»Und?«
»Das war gelogen.« Und dann ging ich mit dem Messer auf mein Spiegelbild los, doch es duckte sich geschickt weg, sodass ich nur seine Kleidung aufschlitzte.
»Stumpfhirn!«, spie er.
Es ist schwer, gegen sich selbst zu kämpfen. Wenn ich weiß, wohin ich stechen will, weiß er es auch. Keiner von uns beiden vermochte den tödlichen Stich zu setzen.
Da fielen mir die Wurfsterne ein. Ich zielte absichtlich nicht auf ihn, warf sogar mit der linken Hand – und da wusste er nicht mehr, wohin ich zielte und wohin er ausweichen sollte. Drei Sterne verfehlten ihr Ziel, aber zwei trafen ihn. Der erste an der rechten Hand, da ließ er das Messer fallen. Der zweite am linken Bein, da ging er zu Boden. Mit zwei Sprüngen war ich bei ihm und setzte ihm die Klinge an die Kehle.
»Ich hätte nie gedacht, dass du dazu fähig bist«, krächzte mein Spiegelbild.
»Warum nicht?«
»Weißt du denn nicht, dass du deinem Doppelgänger ins Dunkel folgst, wenn du ihn umbringst?«
»Hast du mir nicht gerade erklärt, du seiest nicht abergläubisch?«, höhnte ich. Und dann schlitzte ich ihm die Kehle auf.
Noch in derselben Sekunde barsten um mich herum alle Spiegel. Der Saal hatte wieder einen Ausgang. Der Körper meines Doppelgängers lag auf dem Boden, zitterte noch kurz und löste sich dann in milchigen Nebel auf.
Ich hatte die Herausforderung durch mich selbst bestanden. Der Weg war offen, ich verließ den Saal.
Wohin ich dann geraten war, begriff ich zunächst gar nicht. Abermals hatte es mich in einen Saal ohne Ausgang verschlagen. Und wieder veränderte sich der Saal – nur dass mir diesmal der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Mein Herz rutschte in die Stiefel, ich hätte mir beinahe vor Angst in die Hosen gepinkelt, aber beides ist wohl zu entschuldigen, wenn man plötzlich zwischen Himmel und Erde baumelt.
Keine Ahnung, ob Magie im Spiel war, doch die Wände, der Boden und die Decke des Saals schienen verschwunden zu sein. Ich glaubte am Nachthimmel zu schweben. Neben mir, über mir und unter mir funkelten Sterne, inmitten dieser Pracht (oder dieses Saals?) leuchtete ein fahler Mond. Der violette Mond, dessen Name Selena war. Nun konnte es wirklich nicht mehr weit bis zum Horn sein.
Während ich auf den Mond zuging, hämmerte mein Herz dumpf. Ich hatte es fast geschafft!
Ru-u-u-u-u-u-u-u-o-o-o-o-o!
Ein tiefer und zugleich schmerzlicher Ruf wogte zwischen den Sternen hindurch. Irgendwo dort oben, am Grab Groks, pfiff der Wind, dem das Horn des Regenbogens mit einem ewigen Ruf antwortete.
Ru-u-u-u-u-u-u-u-o-o-o-o! U-u-u-u-u-a-a-a-a-a-r-r-r-u-u-u-u!
Ich bekam eine Gänsehaut. Das Horn rief mich. Das traurige Lied des Windes und das Horn verlangten gemeinsam nach mir.
Plötzlich schlug unter meinen Füßen ein blendender Blitz ein. Hastig sprang ich zur Seite. Die grelle Explosion raubte mir jede Sicht. In der Luft hing ein Geruch nach Gewitter und Magie. Sobald ich wieder etwas erkennen konnte, machte ich auf der anderen Seite der Selena Lathressa aus. Sie wartete auf mich.
Lathressa sah aus, als besuchte sie einen Ball. Ihr Kleid war vollkommen sauber (und das nach zwei Wochen in diesen Gräbern), ja, sogar faltenlos, sie trug silberne Ohrgehänge, die wie Spinnen aussahen, in ihrem Gürtel steckte ein breiter Dolch. Ihr dunkelblondes Haar war zu einem kurzen Zopf zusammengebunden, auf den hohen Wangenknochen spielte der violette Widerschein des Mondes. Ihre blauen Augen verfolgten mich aufmerksam, ihnen
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