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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Kauf von fünf Schlössern ausgereicht hätte.
    Die Türen zwischen zwei Sälen waren aus dem besten Holz Sialas geschaffen, der Sagraba-Eiche und der Goldbirke. Sie standen offen. Jede Tür schmückte eine Zeichnung, die mit Silberfarbe ausgeführt war. Meist zeigten sie Bäume und, was für Orks und Elfen seltsam war, Götter – die wie Menschen aussahen und keinerlei ehrfürchtiges Schaudern auslösten. Diese Silbersäle waren vermutlich genauso schön wie die purpur-schwarzen in der vierten Terrasse.
    Irgendwann knickte der Gang scharf nach links ab. Wenn ich unverändert geradeaus ziehen wollte, dann musste ich mich durch eine winzige Silbertür quetschen, die zwischen zwei Marmorvorsprüngen versteckt lag.
    Ein Schloss oder dergleichen entdeckte ich nicht. Sollten die Elfen oder Orks jedoch ein Geheimschloss eingebaut haben, so stünde mir ein hartes Stück Arbeit bevor – die nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein müsste.
    Ich betrachtete die Tür aus sicherem Abstand. Von einer undurchschaubaren Sache lasse man die Finger – das ist eine der wichtigsten Regeln für einen Meisterdieb. Vor dem Griff ins Gnomennest gilt es, erst alles gründlich zu untersuchen.
    Zwischen der Marmorwand und der Tür entdeckte ich eine Fuge, die kaum breiter als ein Haar war. Sobald ich einen Finger darauf legte, öffnete sich die Tür widerstandslos.
    Unmittelbar hinter der Tür lag ein schmaler Gang. In winzigen Lämpchen, die in nicht minder winzigen Nischen saßen, zuckte wie ein verwundeter Falter jeweils eine Flamme. Der Gang schien für Zwerge, Gnome und Kobolde wie geschaffen, nicht aber für Menschen, Orks und Elfen, so tief hing die Decke. Gekrümmt krauchte ich hindurch (glücklicherweise war er nicht lang) und blieb vor einer weiteren silbrigen Tür stehen, öffnete sie, betrat einen weitläufigen Raum – und erstarrte.
    Wie hieß es in dem Gedicht doch gleich?
     
    Aug in Aug sich blickend, in dichte Schatten gehüllt,
    Stehen die toten Ritter und sagen kein einzig Wort,
    Einem sich das Schicksal nicht durchs Schwert erfüllt,
    Einem, der näher als dem Bruder ist dem Schatten dort.
     
    Diese vier Zeilen beschrieben genau, was ich vor mir sah. Orks und Elfen standen einander gegenüber, beide dicht an die Wand gedrängt, im Schatten quadratischer Säulen. Kli-Kli hatte allerdings behauptet, die Zeilen seien verändert worden und würden in dem berühmten Buch der Prophezeiungen der Kobolde von Bruk-Gruk anders lauten, nämlich:
     
    Gepeinigt von Durst, verflucht vom Dunkel,
    Ertragen die unsterblichen Sünder ihre Strafe,
    Und nur einer wird nicht durch Fänge sterben,
    Einer, der mit den Schatten tanzt wie mit dem Bruder.
     
    Ich vermochte nicht zu entscheiden, welcher der Herren Dichter recht hatte und wessen Zeilen zuverlässiger waren. Doch in beiden Fällen wurde ich in aller Deutlichkeit angehalten, auf meine Ohren zu achten, sonst würde ich auf diesem Spaziergang womöglich Abschied von ihnen nehmen müssen.
    Ich fasste mir ein Herz und ging weiter, um die Statuen aus sicherem Abstand zu beäugen. Die Soldaten hatten die Größe, die Orks und Elfen auch im Leben zeigten, und trugen Rüstungen und Waffen. Es sah aus, als würden sie in der nächsten Sekunde lebendig werden und sich aufeinanderstürzen.
    Und da in Hrad Spine oft genug lebendig wird, was eben noch Stein war, lief ich mit der gebotenen Vorsicht an den Statuen vorbei. Nach einer Weile geriet ich mitten in die Schlacht, die zwischen den Verwandten tobte.
    Hier hatte ein Elf einen Pfeil durch den Sehschlitz eines orkischen Helms geschickt, dort trieb ein Ork seine Lanze in einen Elfen. Wie gebannt ging ich weiter und machte mich darauf gefaßt, dass die Zeit aus ihrer Erstarrung erwachte, dass sich aus der Tiefe ein Heulen erhob, dass die Waffen zu klirren anfingen.
    Irgendwann mengte sich ein Oger mit einem Steinhammer in den immer grausameren Kampf. Da stürzten sich Orks und Elfen Seite an Seite auf ihren gemeinsamen Feind. Ich trat an die Gruppe heran – und erst da begriff ich, dass die Figuren gar nicht aus Stein gefertigt waren, sondern nur eine dünne Glasur die einstigen Lebewesen überzog. Jemand hatte sich einen üblen Scherz mit Orks und Elfen (und dem Oger) erlaubt.
    Ob dieses Gemetzel wirklich stattgefunden hatte? Aber welche Kraft hatte die Soldaten dann in Statuen verwandelt? Und ob mir das gleiche Schicksal drohte? Würde ich Teil dieses Schlachtengemäldes werden? Garrett, der auf dem Weg zum Horn des Regenbogens ist –

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