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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Bildhauers konnte kein Zweifel bestehen, die Figur wirkte fast lebendig.
    In ihren Tempeln hielt Sagra meist eine Waffe in der Hand (eine Sense oder eine Sichel an einem langen Stab), hier jedoch umfassten die langen, schlanken Finger zarte Narzissen, das Symbol des Todes und Vergessens.
    Mehr als alles andere nahmen mich die Augen gefangen, genauer gesagt ihr Fehlen (schließlich war die Todesgöttin blind, irrte aber trotzdem nie, wenn sie jemanden zu sich rief). Die beiden dunklen Abgründe in der Halbmaske des Schädels schienen ausschließlich auf mich gerichtet zu sein, so als wollten sie sagen, der Tag, da auch meine Knochen in diesen Sälen sortiert würden, sei nicht mehr fern. In dieser Ankündigung lag keine Drohung. Warum sollte Sagra auch drohen? Wir sind fest zu ihrer Beute bestimmt. Sosehr wir uns auch wehren, das Ende ist immer gleich: Sie kommt und holt uns. Dabei spielt es kein Rolle, ob sie Narzissen oder eine Sense in den Händen hält. Denn am Ende gehören ihr auch die Unsterblichen, ja sogar die Götter. Alles ist nur eine Frage der Zeit, und Sagra weiß zu warten.
    Da hörte ich schon wieder Schritte, die sich näherten. Ich warf Sagra noch einen letzten Blick zu und stürzte davon, wobei ich inständig hoffte, es möge eine Weile dauern, bis sich unser beider Wege erneut kreuzten.
    Ich eilte zur Schädelwand, entdeckte den Torbogen und huschte hindurch, hinein in den nächsten Saal.
    Mein Schlaf war so reich an Albträumen wie ein Brot aus Issylien an Rosinen. Vor allem hatte ich von ihr geträumt, von Sagra, der Todesgöttin, die mich zu sich rief. Der Wind des Chaos zerrte an ihren weißen Haaren und dem Leinengewand, als wollte er es zerfetzen. Sagra beugte sich über mich und war schon im Begriff, mir die Narzissen zu Füßen zu legen, als wollte sie mir bedeuten, dass ich ihr gehöre. Doch da riss ihr ein Sturm aus purpurfarbenen feurigen Schneeflocken die Blumen aus den Händen und trug sie davon. Danach machte er sich über ihre Halbmaske her und zog sie ihr vom Gesicht. Sagra schlug die Hände vors Gesicht und wandte sich ab, noch ehe ich die Züge erkennen konnte.
    Noch nicht , flüsterte der Wind des Chaos und zauste ihr das Haar.
    Noch nicht , schnurrten auch die Feuerflocken, die in einem funkelnden Tanz um die Todesgöttin herumwirbelten.
    Geh fort!, bat eine purpurrote Flamme die unerbittliche Göttin. Wir brauchen ihn in unserer Welt .
    Alles hat seinen Preis . Ihre Stimme klang jung und voll. Werdet ihr den entrichten?
    Er gehört uns , antworteten da drei Schatten im Chor. Wir werden den Preis entrichten .
    Die Göttin nickte und gab den Schatten den Weg frei. Dann verschwand sie. Sagra verstand es zu warten.
    Nachdem ich aufgewacht war, stierte ich lange auf meine in tiefes Dunkel gehüllten Füße, denn ich fürchtete, dort die blassen, vom Wind geschundenen Narzissen zu sehen. Und ich fürchtete, das Heulen der purpurroten Flamme und den Wind aus der Welt des Chaos zu hören. Ich fürchtete mich vor einer Begegnung mit den Schatten.
    Aber es war nur ein Traum gewesen. Bei Sagoth! Alles war mir so wirklich erschienen! Ich stand auf und aß eine der Früchte aus der Ameisenhöhle. Dann machte ich mich auf den Weg, blieb jedoch bereits nach ein paar Schritten wie angewurzelt stehen. Über meinen Körper rieselte eine Gänsehaut nach der anderen.
    Im Licht des Leuchtpilzes funkelte am Boden ein winziger goldener Schädel: der Schellenersatz von der Kappe eines dieser Klimperer. Während ich geschlafen hatte, hatte er zwei Schritt von mir entfernt verharrt – mich aber nicht getötet. Unverrichteter Dinge war er wieder abgezogen. Aber warum hatte er dieses aparte Kinkerlitz auf dem Boden zurückgelassen? Wollte er mich warnen, dass mich die Todesgöttin nicht vergessen hatte? Dass der Traum beileibe kein Traum gewesen war, sondern die nackte Wahrheit?
    H’san’kor kenne sich da aus! Ich zermarterte mir nicht länger das Hirn, was mir dieser Schädel sagen sollte, wusste aber sicher: Ich würde ihn nicht an mich nehmen! Also schlug ich einen Bogen um ihn und drang tiefer in die Säle vor.
    Mir begegnete niemand, und ich hielt mich auch nach wie vor an den Rat des Sendboten, immer geradeaus zu gehen. Schon bald gab es wieder Fackeln, sodass ich auf den Leuchtpilz verzichten konnte.
    Die grobe Gestaltung der Säle wich nun einer erstaunlichen Klarheit, der Eleganz von Silber und der finsteren Ruhe des schwarzen Marmors. Jeder Saal war eine Schatzkammer, deren Silber für den

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