Schattentänzer
hin zumurmeln. Entweder hatten die Jahre den Kobold vollends um seinen Verstand gebracht oder aber er versuchte, ungeachtet der Fesseln einen Zauber zu wirken. Wahrscheinlich traf Letzteres zu, denn sobald einer der Orks in seine Nähe kam, verstummte Glo-Glo. Und kaum zeigte sich Shokrens Visage am Horizont, stellte sich der Schamane schlafend.
Da ich noch gut in Erinnerung hatte, wie Kli-Kli das Anwesen, in dem sich die Bande des Unaussprechlichen verschanzt hatte, in die Luft gejagt hatte, behielt ich Glo-Glo stets im Auge. Natürlich zweifelte ich nicht an den Fähigkeiten des Alten, aber mit den Fesseln an den Händen schaffte er es womöglich nicht, alle Finger in die richtige Stellung zu bringen – und schon würde uns sein ausgeklügelter Schamanenzauber keine Flügel bescheren, sondern Garraker Pfeffer aufs Hinterteil schmieren.
Mys war anfangs noch recht wortkarg, mit der Zeit verlor sich das aber. Die Wunde des Soldaten heilte nach und nach, auch dank des Verbandes und der Salbe, die ihm die Orks gegeben hatten. (Wer hätte je gehört, dass Orks eine solche Sorge gegenüber einem Gefangenen an den Tag legten?) Glo-Glo hatte einmal an der Salbe geschnuppert, sich zufrieden gezeigt und Mys geraten, den Verband möglichst oft zu wechseln. Danach hatte er seine Flüsterei wieder aufgenommen.
Am fünften Tag kamen Olag und der grinsende Fagred zu uns. Letzterer hielt ein Seil in der Hand. Sofort hatte ich das Bild vor Augen, wie jemand aufgehängt wurde.
»Steh auf, Falter!«, befahl Olag.
Wie unschwer zu erraten ist, entzückte mich diese Aufforderung nicht gerade, ja, ich blieb sogar einfach sitzen.
»Wohin bringt ihr ihn?«, mischte sich der Kobold ein.
»Das geht dich nichts an, Grünling!«, bellte Fagred.
»Hoch mit dir, Falter! Shokren wartet nicht gern«, fuhr Olag mich an. »Oder soll ich dir Beine machen?«
Wenn ich Shokren vorgeführt wurde, dann würde ich ja wohl nicht gehängt werden. Diese vernünftige Überlegung brachte mich dazu, mich zu erheben. Fagred warf mir eine Schlinge um den Hals, das andere Ende des Seils behielt er in der Hand. An dieser Leine führte er mich zum Schamanen der Orks.
Shokren sprach zwar gerade mit Bagard, aber als er sah, dass ich gebracht wurde, beendete er das Gespräch sofort. »Pero at sa nuk na tenschi! Folgt mir! «, sagte der Schamane und ging zum Obelisken.
Manchmal bedauere ich wirklich, des Orkischen nicht mächtig zu sein.
Als wir Shokren folgten, zog Fagred derart heftig an dem Seil, dass er mir beinahe das Genick brach. Olag ging neben uns und gab mir immer wieder einen Stoß in den Rücken. Doch obwohl sie mich behandelten, als führten sie einen Hammel zum Markt, kam kein Wort der Klage (die hätte mir vermutlich ohnehin nur einen Kinnhaken von Fagred eingetragen) über meine Lippen.
Ich wurde zum Rand der Lichtung gebracht. Shokren ließ sich auf dem Boden nieder und maß mich mit bohrendem Blick. Da Garrett selbstverständlich nicht eingeladen wurde, sich zu setzen, blieb ich mit dieser ärgerlichen Leine um den Hals stehen und spielte den gelangweilten Dummkopf. Der Schamane hatte sich von seinem durchdringenden Blick offenbar mehr versprochen und wirkte nun leicht enttäuscht. »Ich muss verschiedene Einzelheiten deines Erscheinens in unserem Wald klären«, teilte er mir mürrisch mit. »Und ich möchte wissen, wie du es geschafft hast, das Horn an dich zu bringen. Wirst du meine Fragen beantworten, oder muss ich Fagred anweisen, dich kurz aufzuhängen?«
»Ich werde antworten«, versicherte ich rasch.
»Sa’ruum. Schamane «, flüsterte mir Olag von hinten ins Ohr.
»Ich werde antworten, sa’ruum«, wiederholte ich brav.
»Gut. Wenn ich spüre, dass du mich anlügst, hängt Fagred dich.«
Ich linste in die zufriedene Miene des riesigen Orks. Dieser Schuft hoffte natürlich darauf, dass Shokren mich bei einer Lüge ertappte.
Dann hagelte es Fragen. Trotz der Drohung des Orks erwähnte ich den Kontrakt mit keinem Wort. In den vier Tagen Müßiggang hatte ich mir eine wunderbare Geschichte zurechtgelegt, sodass am Ende weder der geschätzte Orkschamane noch mein teurer Freund und Kopf des Ordens von Vagliostrien Arziwus in der Lage sein würden, Lüge und Wahrheit voneinander zu trennen. Diese Geschichte von einem alten und sehr reichen Grafen, der einen Dieb beauftragte, seine Sammlung um ein Horn zu bereichern, von dem dieser Dieb allerdings noch nie gehört hatte, trug ich nun vor.
Der Dieb wurde demnach mit einem Haufen
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