Schattentänzer
die Männer nach Awendum bringen, dessen könnt Ihr gewiss sein, Mylord«, antwortete der dunkle Elf. »Nehmt die Lanze des Grauen an euch. Sie wird euch gute Dienste leisten.«
»Nein, ich bin an mein Schwert gewöhnt. Garrett!«
»Ja, Mylord?« Mein Mund war völlig trocken.
»Du überbringst Arziwus das Horn, damit er diese Kreatur in den Schnee zurückjagt. Wenn nicht, werde ich dich selbst aus der anderen Welt noch erwischen!«
Ich nickte bloß. Der Graf hatte den Dreckklumpen herausgeholt, den Glo-Glo ihm gegeben hatte. Sobald er ihn in der Faust zusammenpresste, erschienen gespensterhafte Doppelgänger von uns in der Luft. Mylord Alistan drehte sich um und lief, ohne noch einmal zu uns zurückzublicken, gen Westen davon. Unsere Doppelgänger folgten ihm. Sie hinterließen sogar Fußabdrücke im Boden.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren, Egrassa. Glo-Glos Zauber wird nicht ewig anhalten. Und dann hinterlassen wir wieder Spuren.«
»Du hast recht, Kli-Kli. Garrett, Mumr! Nehmt den Gnom auf!«
Obwohl die Hörner seit Langem verstummt waren, rannten wir weiter und weiter. In meinem Inneren hatte sich eine allumfassende Leere ausgebreitet: Wir verdankten unser Leben Mylord Alistan, der die Orks von uns weggelockt hatte. Mein Kopf sagte mir, dass niemand von uns den Grafen jemals wiedersehen würde, zumindest nicht in diesem Leben. Mein Herz nährte jedoch unverdrossen Hoffnung. Vielleicht überlebte er ja trotz allem. Vielleicht würde es ihm ja gelingen, die Orks zu täuschen und uns einzuholen?
»Solange ich seine Leiche nicht mit eigenen Augen gesehen habe, werde ich ihn zu den Lebenden zählen«, verkündete Kli-Kli, als habe sie meine Gedanken gelesen. »Was soll ich bloß dem König sagen?«
Ihre Frage blieb unbeantwortet.
»Wir müssen rasten«, keuchte Mumr. »Die Blutung hat wieder eingesetzt.«
Ich sah zu Hallas hinüber. Unter dem Verband trat in der Tat wieder Blut aus.
»Egrassa! Aal!«, rief Kli-Kli den Männern vor uns zu. »Halt!«
»Dazu ist keine Zeit!«, widersprach Egrassa.
»Wenn wir die Blutung nicht stillen, stirbt Hallas!«»
»Aber beeilt euch! Die Vorhut der Orks hat unsere Spur verloren. Das bedeutet jedoch noch lange nicht, dass wir schon gerettet sind.«
Wir betteten Hallas auf einen Teppich aus Herbstlaub, und Kli-Kli und Aal versorgten die Wunde.
»Garrett, Mumr, kommt her«, rief uns der Elf. »Besorgt zwei lange, kräftige Hölzer. Während sich die beiden um Hallas’ Wunde kümmern, wollen wir eine Trage bauen.«
»Mit zwei Hölzern ist es doch nicht getan, Trash Egrassa.«
»Ich weiß. Wir spannen einen Umhang aus Drokr zwischen sie. Der Stoff sollte das aushalten. Macht euch an die Arbeit!«
Wir brauchten nicht lange nach passenden Hölzern zu suchen. Lämpler fällte schlicht und ergreifend zwei junge Bäume und hackte ihnen die Zweige ab. Mit diesen Stämmen und dem Elfenstoff fertigten wir eine passable Trage an, auf die wir den Gnom dann betteten.
»Wie geht es ihm?«, wollte ich von Kli-Kli wissen.
»Schlecht. Wäre Miralissa hier …«
»Ist sie aber nicht«, fiel Egrassa der Koboldin unbarmherzig ins Wort. »Vertrau nicht auf die Toten, sondern auf die Götter. In ihren Händen liegt das Leben des Gnoms. Aal, hilf mir!«
Egrassa und Aal nahmen die Trage auf, Kli-Kli führte uns, Lämpler und ich liefen am Schluss des Zuges. Nach einer Stunde lösten wir die beiden anderen ab. Wir kamen nun weit schneller voran, und schon bald stießen wir auf einen breiten Pfad, der geradewegs nach Norden führte.
Am Nachmittag setzte ekelhafter Herbstregen ein. Ich deckte Hallas mit dem Elfenumhang zu, mich schützte ja Fagreds Jacke gegen das Wetter. Hallas stöhnte häufig auf. Kli-Kli griff dann jedes Mal nach seiner Hand und flüsterte etwas. Sobald sich der Gnom beruhigte, lief sie wieder schweigend neben ihm einher. Immer wieder drehte sie sich um. Genau wie ich hoffte auch sie, Alistan Markhouse möge am Horizont auftauchen.
»Der Nebel verzieht sich«, sagte Kli-Kli.
»Wenigstens etwas«, erwiderte ich. »Wahrscheinlich haben wir das dem Regen zu verdanken.«
Kli-Kli schnaubte leise, erwiderte jedoch kein Wort.
»Wie lange müssen wir uns noch durch den Goldenen Wald schlagen?«
»Wenn Hallas überlebt, anderthalb Wochen, vielleicht auch etwas länger. Wenn er …« Sie stockte. »Wenn er stirbt, dann eine Woche.«
Dieser Wahrheit galt es ins Gesicht zu sehen: Mit dem verletzten Gnom kamen wir entschieden langsamer voran. Dennoch konnte keine Rede
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