Schattentänzer
eindringlich an. »Du hast aus der Wiege der Toten geholt, was nie aus ihr hätte hervorgeholt werden dürfen. Und du hast diesen Gegenstand in meinen Wald gebracht. Als er noch bei den Elfen war, habe ich Nachsicht walten lassen, aber nun, da seine Kraft erschwacht, werde ich den Tod Sagrabas nicht hinnehmen. Ihr müsst den Wald so schnell wie möglich verlassen.«
»Glaubt mir, Herrin«, antwortete Kli-Kli an meiner Stelle, »wir wünschen uns nichts sehnlicher, als den Wald zu verlassen. Und es würde uns niemals in den Sinn kommen, ihm ein Leid zuzufügen.«
»Und das sagt eine, die gerade eben einen Kampfzauber wirken wollte, der den Hain aus Goldbirke in Späne zu verwandeln vermag«, entgegnete Silbertönender Bach kopfschüttelnd. Zum Glück entging den anderen, dass die Dryade Kli-Kli als Sie ansprach. »Doch wie ich sehe, ist einer eurer Gefährten verwundet.«
»Das waren Orks.«
»Ich weiß.« Sie nickte traurig. »Der Phlini hat mir von alldem erzählt, doch ich konnte erst jetzt zu euch kommen. Sonnenlichter Strahl wird sich um euren Freund kümmern.«
Eine der drei Gefährtinnen beugte sich über Hallas.
Der Phlini. Er hatte mir angekündigt, verschiedene Wesen zu warnen. Aber dass er damit die Dryaden meinen könnte …!
Die Trommeln dröhnten weiter.
»Die Orks sind stolz und hartnäckig«, brachte Silbertönender Bach heraus. »Das Horn macht sie blind. Sie wollen nicht auf mich hören und weigern sich, auf das Artefakt zu verzichten.«
»Die Orks wagen es, Euch zu trotzen?«, hauchte Kli-Kli entsetzt. »Aber …«
»Sie kommen hierher, um sich zu holen, was ihr mit euch führt«, erklärte die Herrscherin unumstößlich.
»Aber die Herrin wird doch nicht zulassen, dass die Ersten das Horn an sich bringen?«, fragte Kli-Kli, während sie auf das Grollen der Trommeln lauschte.
»Das werde ich nicht, nein, auch wenn ich wünschte, es hätte die düstere Wiege der Toten niemals verlassen. Doch der Wald gilt mehr als meine Wünsche und die der Orks. Deshalb werde ich dafür sorgen, dass ihr Sagraba ungehindert verlassen könnt.«
»Verzeiht, dass ich einfacher Mann mich da einmische«, sagte Lämpler. »Aber wie wollen vier kleine Mädchen die Ersten aufhalten?«
Kli-Kli zischte ob dieser unbotmäßigen Rede, doch die Dryade lächelte nur traurig. »Dort, wo Stahl nicht hilft, hilft der Wald, Mensch.«
Zwischen den Bäumen ließ sich ein ohrenbetäubendes Krachen vernehmen. Sofort fasste Aal wieder nach seinen Klingen.
»Runter mit den Waffen!«, befahl eine der Dryaden in strengem Ton.
Aal sah Egrassa mit fragendem Blick an. Der nickte kaum merklich. Unterdessen kam etwas Großes durch den Wald auf uns zu. Die Lippen Silbertönenden Baches kräuselten sich zu einem wissenden Lächeln. Die Sträucher am Rand der Lichtung knackten, spalteten sich und brachen. Aus dem Nebel tauchten riesige Schatten auf.
»Sagra steh uns bei!«, rief Aal. »Das ist …«
»Das sind Unwetter, Wirbelwind, Hagel, Orkan, Schneesturm und Donner.« In der Stimme von Silbertönender Bach schwang Stolz mit. »Sie haben sich bereit erklärt, mir zu helfen.«
Kli-Kli hatte nach meiner Hand gefasst, ohne dass ich es bemerkt hätte. Sie war genauso verängstigt wie ich. Und wir hatten guten Grund dazu!
In den ersten Tagen in Sagraba waren wir auf ein Wildschwein gestoßen. Diesen ausgewachsenen Keiler hatte ich geradezu für den König unter den Wildschweinen gehalten, da ich mir ein noch größeres Tier einfach nicht vorstellen konnte.
Ein Irrtum, wie sich nun zeigte. Ein gewaltiger sogar. Der Keiler konnte mit keinem der sechs Tiere mithalten, die sich da vor uns im Halbkreis aufbauten. Es waren Götter des Waldes. Die Könige der Wildschweine. Jeder von ihnen erreichte eine Höhe von gut vier Yard. Wie schwer sie waren, wollte ich mir lieber gar nicht erst vorstellen. Neben ihnen wirkten wir wie Zwerge. Wahrscheinlich würde ich bis ans Ende meiner Tage die majestätische Größe dieser herrlichen Tiere mit den langen Schnauzen, den riesigen dunkelgelben Hauern (die jedem Mammut mühelos den Bauch aufschlitzten), dem braunen glänzenden Fell und den klugen schwarzen Augen nicht vergessen, die nun auf die Befehle der Herrscherin warteten.
»Wir befehlen nicht, Mensch.« Silbertönender Bach sah mir fest in die Augen. »Wir sind zu schwach, um dem Wald etwas zu befehlen. Wir bitten lediglich um Hilfe. Donner, würdest du mit deinen Kriegern gegen die Orks ziehen?«
Einer der Keiler riss sein
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