Schattentänzer
davon sein, ihn seinem Schicksal zu überlassen. Jedenfalls vorerst nicht. Wenn uns die Orks in die Zange nehmen sollten, würde Egrassa vielleicht darauf bestehen. Ich war mir sicher, welche Entscheidung er fällen würde, wenn er zwischen dem Wohl eines Gefährten und der Pflicht gegenüber der ganzen Welt zu wählen hatte. Aal würde diese Entscheidung gewiss nicht billigen. Aber ich malte mir lieber nicht aus, was das hieße.
Die nächsten zwei Stunden marschierten wir durch den regennassen Wald. Den Göttern sei Dank, dass wir uns im Süden Vagliostriens befanden, im Norden des Königreichs dürften inzwischen längst die ersten Fröste eingesetzt und die Pfützen mit einer morgendlichen Eiskruste überzogen haben.
Inzwischen stöhnte Hallas nicht einmal mehr. Sein Gesicht zeigte die Farbe des Schnees am Einsamen Riesen. Weder Kli-Kli noch Egrassa vermochten seine Schmerzen zu lindern. Wir alle wussten, dass Hallas die Nacht nicht überstehen würde, trugen ihn aber so stur weiter, als versuchten wir dem Tod ein Schnippchen zu schlagen.
Bumm! Bumm! Bumm!
»Orks!«, rief Kli-Kli und zog gleich zwei Messer. »Ganz in der Nähe!«
»Das hört sich nicht gut an!« Lämpler spuckte aus.
Beim Dunkel! Hinter jeder Goldbirke schien eine Orktrommel zu dröhnen. Egrassa lauschte am Boden. Als er wieder aufstand, verhieß sein Gesichtsausdruck das Schlimmste.
»Die Ersten trennen nicht mehr als fünfzehn Minuten von uns. Und es sind viele. Rasch weiter!«
»Wie viele sind denn viele ?«, fragte ich im Laufen, was uns alle beschäftigte.
»Mehr als vierzig jedenfalls. Und wir befinden uns jetzt im Gebiet der Gruuner Ohrabschneider.«
Lämpler verwünschte prompt alle Orkmütter. Wie sollten wir vierzig Orks standhalten – wenn doch bereits die Hälfte genügte, um uns ins Licht zu schicken.
»Ich brauche eine Lichtung!«, rief Kli-Kli. »Egrassa, ich brauche eine große Lichtung!«
»Was hat du vor?«
»Ich habe den Staubhammer vorbereitet, ich muss nur noch die Rune zeichnen, damit der Zauber ausgelöst werden kann. Damit alles gut gelingt, dürfen keine Bäume in der Nähe sein. Die Magie ist jetzt unsere letzte Hoffnung!«
»Bist du sicher, dass du alles richtig gemacht hast?«
»Holen mich doch alle Waldgeister, ja! Ihr müsst mir vertrauen! Entweder der Zauber oder eure Schwerter!«
»Dann sei es so«, entschied Egrassa. »Dann brauchen wir also eine Lichtung.«
Die Trommeln dröhnten wie das Herz eines Dämons.
»Nach links!«, befahl Egrassa plötzlich. »In den Wald hinein!«
Mir war schleierhaft, was den Elfen zu diesem Befehl veranlasste, aber Kli-Kli gehorchte widerspruchslos und stürzte sich in den dichten Tannenwald.
»Runter mit ihm!«, kommandierte Aal.
Wir setzten die Trage ab. Aal hob Hallas ächzend hoch. »Macht mir den Weg frei!«
Egrassa zog den S’kasch, doch ich gab ihm die Lanze des Grauen, die alle Zweige so leicht kappte, als seien es Grashalme. Mit ihr bahnte uns Egrassa mühelos einen Weg durch den Tannenwald. Um unsere Spuren scherte er sich nicht mehr. Die Orks würden uns ja ohnehin finden.
Bumm! Bumm! Bumm!
Wir erreichten eine Lichtung, die im Nebel kaum zu erkennen war.
»Woher wusstest du davon?«, fragte Lämpler.
»Ich habe sie gespürt.« Der Elf setzte überraschend ein Lächeln auf. »Ich glaube, Kli-Kli auch. Hier hat ein Feuer gebrannt. Seht ihr, wie verkohlt die Bäume sind?«
Unter uns schmatzte schwarzer Dreck, der aus der Vereinigung von Regen, Asche und Erdreich geboren worden war. Jeder Kampf auf diesem rutschigen Untergrund würde sehr schwierig werden. Wir blieben in der Mitte der Lichtung stehen, Mumr warf seinen Umhang auf den Boden, damit Aal den Gnom auf ihn betten konnte.
»Wenn es losgeht, bleibt hinter mir. Verstanden?«, sagte Kli-Kli, während sie mit dem Finger flink etwas in den Schmutz zeichnete, das wie eine fette Raupe mit Flügeln aussah.
»Ja. Sobald du fertig bist, begibst du dich zu Hallas.« Egrassa wechselte die Sehne in seinem Bogen. »Aal, du deckst mich, so gut es geht. Mumr! Garrett! Ihr übernehmt die Flanken! Und stürm ja nicht vor, Dieb!«
»Ich habe nicht die Absicht«, gab ich zurück.
Bumm! Bumm! Bumm!
»Sie sind ganz nah«, sagte Kli-Kli. »Bitten wir die Götter um Beistand.«
»Du hast keine gute Zeit für deinen Schamanenzauber gewählt.«
Die junge Stimme in unserem Rücken schien für einen kurzen Augenblick sogar die Trommeln zum Verstummen zu bringen. Egrassa fuhr herum, sein Pfeil zitterte in
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