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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Missetäter ohne Prozess aufhängten. Das mochte grausam sein, war aber höchst wirkungsvoll – und hatte den Chasseuren ihren Namen eingetragen.
    Obwohl es erst Mitte November war, hatte der Winter bereits Einzug gehalten. Es gab viel Schnee, und die Fröste waren dergestalt, dass man gut ein zweites Paar Handschuhe hätte brauchen können. Es bedeutete ein nur geringes Vergnügen, bei diesem Wetter im Sattel zu sitzen. Schon nach wenigen Stunden spürte ich meine Hände und Füße nicht mehr. Ich nahm mir ein Beispiel an Lämpler und wickelte mein Gesicht mit einem Schal ein, um mich wenigstens etwas gegen den eisigen Wind zu schützen, der mir von vorn entgegenschlug. Sollte ich mich je zu einer Reise durchringen, dann nur im Sommer. Besser, die Sonne buk einem den Kopf, als dass man sich Arme und Beine abfror.
    Kaum hatten uns Habsbargs Männer nach Ranneng gebracht, machten sie kehrt, um die Zweite Südarmee einzuholen, die nach der Schlacht gegen die Orks über die Isselina gesetzt war. Wie viele törichte Menschen es in Siala doch gibt, die aus freien Stücken in den Kampf ziehen!
    Nach den Abenteuern im Sommer war ich nicht sonderlich erpicht darauf, Ranneng wiederzusehen. Ganz im Gegenteil, ich fühlte mich in der Überzeugung bestätigt, in der südlichen Perle Vagliostriens nichts verloren zu haben.
    Die Stadt quoll von Flüchtlingen über, denen der Krieg das Dach über dem Kopf genommen hatte. Aus irgendeinem Grund schienen alle zu glauben, die Stadtmauern stellten einen sicheren Schutz gegen die Orks dar und es sei innerhalb ihrer leichter als auf dem Lande, ein Auskommen zu finden. Die Folge war, dass sich hier so viele Menschen herumtrieben, wie man es selbst in seinen schlimmsten Albträumen nicht für möglich hielt. Da die Stadtwache längst nicht mehr jeden nach Ranneng hineinließ, tauchten vor den Stadtmauern mit katastrophaler Schnelligkeit Zelte, Erdhütten und alles, was als Behausung durchgehen konnte, auf. Überall brannten Lagerfeuer, wobei nicht nur der nahe (und inzwischen sehr ausgedünnte) Wald als Brennholz herhalten musste, sondern alles, was den Menschen sonst noch unter die Finger kam. Der allgegenwärtige Dreck ließ mich befürchten, in Ranneng werde trotz der Kälte bald eine besonders widerliche Seuche ausbrechen. Und die Pest hätte uns zu unserem Glück nun wahrlich noch gefehlt.
    »Was schlägst du jetzt vor, Egrassa?«, fragte Kli-Kli, während sie den Blick über das Gewimmel vor den Stadtmauern schweifen ließ.
    »Wir müssen versuchen, in die Stadt zu kommen.«
    »Das wird nicht gelingen, da verwette ich meinen Bart! Die lassen uns nicht durch! Aber vielleicht finden wir eine Schenke außerhalb der Stadt? Früher gab es hier jede Menge davon.«
    »Ich glaube zwar nicht, dass es noch freie Betten gibt, Hallas. Aber lass es uns versuchen.«
    Wir lenkten die Pferde durch die dreckige, vielköpfige Menge hindurch. Es roch nach dem Rauch unzähliger Lagerfeuer und nach Unrat. Ganz in der Nähe bereiteten sich ein paar Burschen ihr Abendessen zu. Ich konnte zwar nichts Genaues erkennen, hatte aber den Eindruck, sie brieten eine Ratte.
    Wie Egrassa schon vermutet hatte, waren in den Schenken keine Betten mehr frei. In der sechsten Gaststube bot man uns jedoch für nur drei Goldmünzen den Pferdestall an. Hallas hätte sich beinah an seinem Bart verschluckt, doch Egrassa bezahlte, ohne mit der Wimper zu zucken. Was sollten wir jetzt noch haushalten? Die gleiche Summe mussten wir noch einmal für ein karges Essen entrichten. Hallas stapfte mit finsterer Miene durch den Stall und malte sich aus, was er mit dem Schankwirt anstellen würde, wenn er so könnte, wie er wollte. Der Gnom litt, als habe er Unterkunft und Verpflegung aus eigener Tasche bezahlen müssen.
    In der Nacht träumte ich, dass sich ganz langsam ein Schwert über meinem Kopf herabsenkte. Obwohl ich mit aller Kraft versuchte, aus dem Traum zu erwachen, gelang es mir nicht. Der Tod rückte näher und näher. Erst als die Klinge fiel, wachte ich auf. Wie sich herausstellte, hatte mich Aal an der Schulter wach gerüttelt. Offenbar war es noch tiefste Nacht, trotzdem schlief niemand mehr. In dem schummrigen Licht einer Öllampe sattelten Egrassa und Lämpler die Pferde, während Kli-Kli und Hallas unsere Sachen zusammenpackten.
    »Steh auf, Garrett!«, verlangte Aal.
    »Was ist denn los?«, fragte ich. »Warum plötzlich diese Eile?«
    Ein Lid des Garrakers zuckte. »Der Einsame Riese ist gefallen.«

Kapitel 19

    Das

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