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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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die hier wohl fraßen, wenn keine Menschen auf dem Speiseplan standen? Schließlich dürften sie nicht jedes Jahrhundert das Glück haben, einem arglosen Wanderer den Kopf abzureißen.
    Angeekelt verzog ich das Gesicht, sammelte die Bolzen ein, stieß die Kreaturen mit dem Fuß in die Tiefe und eilte mit der Armbrust im Anschlag weiter. Bestimmt hatte Lathressa gute Arbeit geleistet und etliche dieser Kreaturen, die hier in der Finsternis lauerten, versengt. Doch solange ich nicht wusste, wie viele dieser Bestien noch lebten und nach frischem Fleisch lechzten, zog ich es vor, nicht über Gebühr an diesem Ort zu verweilen. Und die Brücke hatte ich ja auch noch immer nicht hinter mich gebracht …
    Das Schwirren von vorhin verwandelte sich in ein Grollen, das Grollen wurde zu einem Donnern, das Donnern ging schließlich in Gebrüll über. Feuchtigkeit und wässriger Staub hingen in der Luft. Da wusste ich, was kam.
    Ein Wasserfall. Ich hatte weder die Zeit noch den Wunsch herauszufinden, wie der nun wieder hatte entstehen können. Kaum merklich war es heller geworden. Aus dem gespenstischen Dunkel tauchte links und rechts jeweils eine Wand auf. Beide Wände gaben ein schwaches fahlgrünes Licht ab und rückten aufeinander zu.
    Die Wände umklammerten die Brücke immer enger. Die Feuchtigkeit legte sich wie Tau auf meine Kleidung. Vom Tosen des herabschießenden Wassers drohte mir der Kopf zu bersten. Die Brücke wurde feucht und glänzte im Licht des »Feuers«. Immerhin war es nicht rutschig, Sagoth sei gepriesen!
    Mich trennten noch zweihundert Yard vom Wasserfall. Genauer: von den beiden Wasserfällen. Zu beiden Seiten ragte an den Wänden der dreißig Yard hohe groteske Kopf von jenem Zwitterwesen aus Vogel und Bär auf. Die schnabelartigen Mäuler waren weit aufgesperrt, aus ihnen schoss heulend schwarzes Wasser.
    Kaum schloss ich zu den Köpfen auf, da war ich auch schon bis auf die Knochen nass (und obendrein taub). Woher kam nur dieses Wasser? War das ein unterirdischer Nebenarm der Isselina? Oder musste ich die Quelle ganz woanders suchen? Die Legende vom Fluss der Toten fiel mir ein, der tief in der Erde floss und die Seelen der Sünder ins Dunkel trug.
    Bei Sagoth! Als ich zwischen den beiden Wasserfällen hindurchstapfte, fürchtete ich schon, entweder nie wieder etwas zu hören (die Pfropfen, die ich mir eigens für solche Fälle eingesteckt hatte, ruhten friedlich in meiner Tasche) oder vom Wasserstrahl weggespült zu werden. Auch die Vogelbären selbst erweckten den Eindruck, als wollten sie jeden Eindringling in die Tiefe stoßen oder so erschrecken, dass er in nassen Hosen dastand. Letzteres galt für mich allerdings ohnehin schon (und nicht nur für die Hosen, sondern auch für den Rest meiner Kleidung).
    Noch eine ganze Weile begleitete mich das verebbende Heulen der Wasserfälle. Die Wände gaben die Brücke aus ihrer Umklammerung wieder frei, das fahlgrüne Licht erlosch und lud die Finsternis ein, sich auszubreiten (worum diese sich nicht zweimal bitten ließ).
    Beim Dunkel, aber dieses Stück hatte mich derart ausgelaugt, dass ich noch auf der Brücke eine Rast einlegte. Ich musste etwas essen und wollte meine nasse Kleidung auswringen, denn nach dem unfreiwilligen Bad zitterte ich am ganzen Körper. Inmitten meines Tuns flackerte das »Feuer« ein letztes Mal auf und erstarb. Fluchend entzündete ich ein neues. Wie lange trieb ich mich bloß schon auf dieser Brücke herum? Nach meinen Berechnungen waren bereits knapp drei Tage vergangen, seit ich Hrad Spine betreten hatte. Und immer noch krebste ich irgendwo zwischen der zweiten und der dritten Terrasse herum.
    Nach der Rast verlief die Brücke bald nicht mehr gerade, sondern schlängelte sich in Serpentinen in die Tiefe – um dann im Nichts zu enden. In der Brücke klaffte ein Loch. Immerhin ließ es sich mit Anlauf und einem Sprung überwinden. Noch fünfmal verlangte mir die Brücke einen Beweis meiner Sprungkunst ab, den ich jedoch stets erbrachte, da die Löcher nie breiter als anderthalb Yard waren. Diese zerstückelte Brücke befremdete mich. Noch seltsamer fand ich allerdings, dass die einzelnen Stücke so frei im Raum schwebten, als seien sie mit unsichtbaren Nägeln in der Luft befestigt worden.
    Eine Ewigkeit später rückten die Wände erneut eng an die Brücke heran. Diese machte eine letzte Windung – und vor mir lag der Zugang zur dritten Terrasse.
    Der erste Saal überwältigte mich. Mir fehlten die Worte, um zu beschreiben,

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