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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Boden zu erreichen, schaffte es aber nicht. Hunderte von pikenden Blasen trugen mich immer wieder nach oben. Der Schmerz in meiner Brust schwoll an.
    Zwei Minuten.
    Obwohl ich bereits seit über sechs Minuten schwamm, kam der heiß ersehnte Ausgang nicht in Sicht. Ob der Sendbote gelogen hatte? Oder hatte ich mich im Gang geirrt? Doch da! Die Wand! Endlich! Wie eine Kaulquappe in einem heißen Kessel zappelte ich über sie hinweg. Da fehlte der Ausgang! Und eine weitere magische Blase hatte ich nicht! Mit krampfartigen Bewegungen brachte ich mich weiter nach oben.
    Dann begriff ich es!
    Die Bläschen stieben zu einem Spalt auf! Ich folgte ihnen und fand mich in einem Schacht wieder, der nach oben führte. Und vor mir schimmerte etwas unsagbar Schönes.
    Ich arbeitete mit den Beinen, mir wurde schwarz vor Augen. Entweder lernte ich auf der Stelle, unter Wasser zu atmen – oder ich durfte mein Päckchen für die Reise ins Licht schnüren. Das silbrige Funkeln war zum Greifen nah. Es sah aus, als spanne sich eine feine Haut von Wand zu Wand. Die Blasen trieben mühelos durch diese Haut hindurch. Also würde auch ich das schaffen. Kaum berührte ich die Haut, da bohrten sich mir schon Nadeln in den ganzen Körper. Dann trug es mich davon, hinaus aus dem Wasser …
    Ich saß am Ufer eines großen unterirdischen Sees. Vielleicht war er auch gar nicht so groß, aber auf alle Fälle schaffte es das »Feuer« nicht, das andere Ufer zu erhellen. Ich saugte das berauschende Aroma der Luft ein.
    Während des Tauchens war mir das Wasser warm vorgekommen, doch kaum war ich ans Ufer gespült worden, hatte mich ein solches Schaudern gepackt, dass ich am liebsten ein Feuer entfacht haben würde. (Was ich auch getan hätte, wenn es Holz gegeben hätte.) Sofort hatte ich meine feuchte Kleidung ausgezogen und aus meiner durchweichten Tasche den Pullover geholt. Dank des Drokrs war er so trocken geblieben, als hätte ich ihn überhaupt nicht durchs Wasser geschleift. Sobald ich ihn angezogen hatte, war das Zittern von mir gewichen. Eine Weile war ich noch herumgesprungen und hatte Arme und Beine ausgeschüttelt. Nach einem langen Aufenthalt im Wasser erweist sich dies meist als hilfreich.
    Mir war schleierhaft, wie ich an den See gekommen war, ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, ob in einer Höhle oder in einem Saal. Immerhin hatte der Sendbote nicht gelogen. Es war eine Zwischenterrasse. Denn so etwas wie das hier gab es in der ganzen sechsten Schicht nicht.
    Beim Dunkel, wie kalt es war! Ich wrang meine Kleidung aus, aber ohne Sonnenlicht würde sie noch Sagoth weiß wie lange brauchen, um zu trocken.
    Ich hatte nur noch ein »Feuer«, und das hauchte sein Leben bereits aus. Da um mich herum überall Dunkelheit herrschte, sollte ich mich sputen, wenn ich mich nicht wie ein Maulwurf mit der Nase an der Wand vorwärtsbewegen wollte. Was mich erwartete, wenn auch mein letztes »Feuer« verbraucht wäre, malte ich mir lieber nicht aus. Ich rannte in einen geraden Gang hinein, dessen Wände im Licht des »Feuers« die Farbe getrockneten Blutes zeigten.
    Schon seit einer ganzen Weile bohrte sich mir eine stumpfe Nadel in die Seite, die mich nun zwang, langsamer zu gehen. Ich war müde und hungrig. Nach zwei Tagen des Hungerns, nach zwei Tagen, in denen ich nur Wasser getrunken hatte (von der Maidinger Rebe einmal abgesehen), hätte ich nun für ein Stück Brot mein rechtes Auge hergegeben. Oder auch das linke.
    Schließlich trat das Unvermeidliche ein. Mein »Feuer« flackerte noch einmal auf – und erlosch. Ich setzte alles daran, es mit der Kraft meiner Gedanken erneut zu entfachen, und tatsächlich beleuchtete es auch noch einmal über zwanzig Yard weit den Gang, ehe es mich endgültig der Blindheit übergab. Ich fühlte mich so hilflos wie ein neugeborenes Kätzchen.
    Wütend schleuderte ich das erloschene »Feuer« fort. Das war’s. Aber For hatte mich ja gewarnt. Ich hätte die Zelle in den Grauen Steinen wählen sollen, statt durch dieses Dunkel zu stolpern, in dem ich mit wer weiß was für Gemeinheiten – von wer weiß wem! – zu rechnen hatte.
    Mit der linken Hand über die Wand fahrend tapste (anders ließ es sich nicht nennen) ich weiter. Das Ganze erinnerte mich unangenehm an die Stolperei im Gefängnis des Herrn.
    Ich will nicht lügen – ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Dreimal verschnaufte ich kurz, einmal versuchte ich zu schlafen, aber der quälende Hunger verhinderte das.
    Komm, Garrett!, spornte ich

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