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Schattentänzer

Schattentänzer

Titel: Schattentänzer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexey Pehov
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Kreuzungen, keine Abzweigungen. Ohne viel nachzudenken, marschierte ich geradeaus.
    Pah! Was für eine Lüge!
    Als ob es in meinem Kopf nicht diesen einen Gedanken gäbe! Essen! (Sagoth möge mir verzeihen!) Ich könnte vermutlich einen ganzen Ochsen wegputzen, der mit drei Hammeln gefüllt sein musste, die ihrerseits mit Wachteln gestopft waren. Das Stück Pilz, das sich in meiner Hand befand, verströmte einen köstlichen Geruch und ließ mir damit derart das Wasser im Mund zusammenlaufen, dass ich ständig schlucken musste, um nicht im eigenen Speichel zu ertrinken. Mein Verstand, den der Hunger noch nicht gänzlich getrübt hatte, verbot mir strikt, über den Pilz herzufallen. Erstens bin ich kein Koboldschamane, der rohe Pilze mümmelt und danach irgendwelche aberwitzigen Bücher der Prophezeiungen verfasst. Zweitens hatte ich nicht das geringste Verlangen, mich in Todeskrämpfen auf dem Pfad zu wälzen, falls der Pilz giftig sein sollte. Deshalb galt es, tapfer gegen mich selbst anzukämpfen, damit ich meine Ängste nicht vergaß und meine Lichtquelle nicht vertilgte.
    Die Pilze, auf die ich gleich hinter dem Höhleneingang gestoßen war, stellten keinen Einzelfall dar. Immer wieder fiel mein Blick auf Lichtinseln. (Und selbstverständlich wurde jeder einzelne Pilz von einer, manchmal sogar von zwei Ameisen bewacht.)
    Je tiefer ich in die Höhle vordrang, desto größer wurde die Ameisenschar. Meistens waren die Tiere völlig in ihr Treiben versunken. Und auch die Weghüter achteten nicht auf mich, solange ich keine ruckartigen Bewegungen machte und mich ihnen nicht näherte. Die Arbeiterameisen legten einen beispielhaften Eifer an den Tag. Sie brachten den Weghütern Essen (unappetitliche schwarze Brocken, die sie ihnen zwischen die Kiefer schoben) und schleppten Steine, Pilzstücke, Bretter (wo immer sie die herhaben mochten) und weiß das Dunkel was noch durch die Gegend.
    Einmal musste ich stehen bleiben und warten, bis zwei Dutzend Arbeiterameisen eine Herde winziger (nicht größer als mein Finger) fahler Käfer vorbeigetrieben hatten. Ich nahm an, es handelte sich um Blattläuse. Dabei musste ich einer Ameise ausweichen, die mir den Hintern zudrehte und eine beißende Flüssigkeit verspritzte. Zum Glück traf sie mich nicht. Allerdings eilten auf den Gestank hin sämtliche Soldatenameisen im Umkreis herbei und umzingelten mich. Ich stand mehr tot als lebendig da – bis die Ameisenhirten und ihre Käferherde im Dunkel der Höhle verschwunden waren. Danach löste sich der Ring aus Soldatenameisen wieder auf, und ich durfte weiterziehen, wobei sie mir zum Abschied warnend mit den Kiefern hinterherklapperten.
    Nach diesem Zwischenfall mied ich die hiesigen Bewohner. Wenn die wollten, könnten sie ohne Weiteres über mich herfallen und mich zerstampfen. Gegen eine solche Überzahl hilft keine Waffe.
    Irgendwann entriss das Licht des Pilzes der Dunkelheit einige niedrige Dornensträucher, die am Rand des Pfades wuchsen. Von ihnen schnitten die Arbeiterameisen dunkelgrüne Früchte ab, von denen jede so groß wie ein Apfel war. Ich wartete, bis sich die Burschen satt gefressen hatten und abgezogen waren, hielt nach allen Seiten Ausschau, konnte aber keinen Weghüter entdecken und machte mich ebenfalls daran, die Früchte zu ernten und sie mir in die Tasche zu stopfen. Meine höchst vernünftige Überlegung ging dahin, dass ich gewiss nicht an dem Zeug sterben würde – wo die Ameisen den Verzehr doch auch überstanden hatten. Hoffte ich jedenfalls.
    Trotzdem kostete es mich dann allen Mut, in die Früchte zu beißen. Da sie eine feste Schale hatten, musste ich zunächst mein Messer zum Einsatz bringen. Der Duft von Pflaume und Himbeere kitzelte mir die Nase. Mein Magen knurrte unüberhörbar. Ich versuchte ein Stück und vertilgte dann gleich vier Früchte. Zu meinem Erstaunen vertrieben sie den Hunger genauso gut wie eine gebackene Gans. Sollten die Früchte am Ende doch giftig gewesen sein, würde ich wenigstens satt sterben.
    Sofort sah die Welt freundlicher aus, der weitere Weg kam mir schon nicht mehr so trist und endlos vor. Vierzig Minuten später lag die Ameisenhöhle, wie ich diesen Ort nannte, hinter mir. Über breite Stufen erreichte ich die nächste Höhle. Darin gab es Säulen, die an Drachenzähne erinnerten, sodass ich den Eindruck hatte, mich mitten im Maul eines riesigen Untiers zu befinden.
    Der Pilz spendete weiterhin tadellos sein Licht, der Pfad lag gut sichtbar vor mir, und so erreichte

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