Schattentänzer
war zur Hälfte mit Weizen angefüllt.
Wütend klappte ich den Deckel zu und richtete meine Aufmerksamkeit auf den Tisch. Alles war mit einer dicken Staubschicht überzogen. Als ich mich schon wieder abwenden wollte, forderte mich Walder überraschend auf: Halt! Sieh dir die Bücher an!
Also nahm ich das erstbeste Buch an mich. »Ich kann mit diesen Krakeln nichts anfangen«, brummte ich.
Aber ich. Das ist Altorkisch. Ein magisches Buch. Es ist von unschätzbarem Wert.
Gut, vielleicht war es ja kostbar, aber ich würde es bestimmt nicht mitschleppen. Das Buch war schwerer als Kli-Kli, wenn er zu viel Kirschen gegessen hatte.
Nimm das mit den Eisenbeschlägen.
Dieses Buch war kaum größer als meine Hand und etwa zwei Finger dick, auf den Beschlägen stand etwas in Gnomensprache geschrieben.
Da steht: Kleines Zauberbuch der Gnome.
Täuschte ich mich oder hörte ich aus Walders Stimme Ehrfurcht heraus? Verwunderlich wäre das nicht. Alle Bücher der Gnome waren im Sam-da-Mort geblieben – und damit letzten Endes verloren. Die Gnome durften nicht zu ihnen (das verhinderten die Zwerge). Die Zwerge wussten nicht, wo sie waren (und die Gnome sagten es ihnen nicht).
Ich besah mir das Buch von allen Seiten und legte es behutsam zurück. Auch dieses würde ich nicht mitnehmen. Ebenso wenig wie ich Hallas und Deler von meinem Fund in Kenntnis setzen wollte. Denn das würde zu nichts Gutem führen. Das kleine Büchlein könnte ein Feuer entfachen, das in einer neuen Schlacht auf dem Sornfeld enden würde. Ich wollte aber ganz gewiss nicht derjenige sein, der ein neues Morden zwischen Zwergen und Gnomen zu verantworten hatte.
»Soll ich dir noch eins zeigen, Walder?«
Keine Antwort.
Ich zuckte die Achseln und steuerte auf den Ausgang zu. Allmählich wurde es Zeit, das Horn des Regenbogens zu holen und von diesem unwirtlichen Ort zu verschwinden.
Leicht gesagt – das Horn des Regenbogens zu holen! Wenn ich nur schon bei dieser Tröte wäre!
Als ich die Bibliothek verließ, kam ich in einen breiten Gang. Genau wie in der sechsten Schicht herrschten auch hier wieder Halbdunkel und dichter Schatten. Die Wachsfackeln knisterten, spendeten aber nur spärliches Licht. Obwohl alles ruhig schien, ließ ich es nicht an Aufmerksamkeit mangeln und blieb häufig stehen, um zu lauschen. Doch nie hörte ich ein merkwürdiges Geräusch, Sagoth sei gepriesen.
Nachdem ich meine Karten eingebüßt hatte, hielt ich mich an den Rat des Sendboten und lief stur geradeaus. Natürlich war es dumm, ihm zu vertrauen, aber immerhin hatten sich seine Worte bisher als wahr erwiesen.
Nach einer halben Stunde nahm die Zahl der Fackeln ab, irgendwann verschwanden sie sogar ganz, sodass ich wieder auf den Leuchtpilz zurückgreifen musste. Den Sälen und Gängen haftete etwas Grobes und Unachtsames an, obgleich ich mir sicher war, dass sie auf Orks und Elfen zurückgingen. Wenn ich mich jedoch umsah, drängte sich mir der Eindruck auf, dass die beiden Rassen ihre Arbeit so schnell wie möglich hatten beenden und diese Terrasse verlassen wollen. Ich verstand sie sehr gut.
Doch erst vierzig Minuten später ging mir das Grauen dieses Ortes in seiner ganzen Größe auf. Da nämlich entriss der Pilz dem Dunkel ein Bild, wie es nicht einmal ein Insasse der Zehn Märtyrer zuwege brächte.
Ich gebe unumwunden zu, dass mir eine Gänsehaut über den Rücken lief, mein Mund austrocknete und mir die Zunge am Gaumen klebte. Aber es ist einem ja auch nicht jeden Tag vergönnt, mit eigenen Augen eine neun Yard hohe Mauer zu erblicken – die aus menschlichen Schädeln errichtet worden war.
Abertausende von dunklen Augenhöhlen stierten mich an, Abertausende von Zähnen waren zu einem sardonischen Grinsen gebleckt, Abertausende Schädel leuchteten in blendendem Weiß.
Wie viele Schädel mochten wohl nötig gewesen sein, um diese Mauer zu schaffen? Es war ein Furcht einflößender und zugleich hypnotisierender Anblick. Wer hatte diese Mauer errichtet? Und wie? Wozu? Woher stammten die Menschenschädel? Und würde meine Rübe am Ende Teil dieses schrecklichen Gebildes werden?
Als ich an ihr entlangstrich, entdeckte ich mit einiger Mühe eine Art Torbogen, der aus Rippen geschaffen worden war. Durch ihn schlüpfte ich hindurch …
… und jeder Zweifel, ob die Beinernen Paläste ihren Namen zu Recht trugen, war ausgeräumt. Das war ein Speicher, eine Schatztruhe menschlicher Knochen!
So etwas träumt man nicht einmal im schlimmsten Albtraum. Die Wände des
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